[115] 38. Auf Graf Rudolph Siegmunds von Sinzendorf, des H.R.R. Erb-Schatzmeisters und Burggrafens zu Reinek, Erhebung zum Kaiserlichen obristen Hofmeister und Premier Ministre 1

1724.


Hat Vorwitz oder Geitz, als er die Höll erbricht,
Dem alten Roderich, nebst vielen fremden Trachten,
Auch eine Schrift entdekt, die diesen Prinz bericht:
Es werde solch ein Volk ihn und das Seine schlachten,
So hat der Vorwitz uns nicht gütlicher gethan,
Er hängt uns fremde Tracht und fremde Plagen an.
Nicht Aufgeblasenheit, dir nah' verwandt zu seyn,
Darf, theurer Sinzendorf, den Lob-Spruch erst begeistern;
Vielweniger ein Blitz vom neuen Ehren-Schein,
Zum wohlverdienten Ruhm, sich meines Kiels bemeistern.
(Ich rede fast zu frey: doch ists auch Redens Zeit;
Denn ich besinge ja die Pracht der Redlichkeit.)
Mein Trieb bewegt sich nicht, nachdem das Wetter steht,
Noch beug ich meine Knie vor jedem Bild der Sonnen,
Und da die Dichter-Kunst beynah' hausiren geht:
Hat mir die Eitelkeit kein Lied noch abgewonnen.
Bey dir, ich rede nur, was ich erweisen kan,
Trift man die teutsche Treu noch unverstellet an.
Verblend'te Sterbliche! was sucht ihr in der Welt?
Ihr, die ihr eure Zeit mit Dingen überhäuffet,
Darob das Ewige kein Räumgen mehr behält;
Wiewol die Zeit auch selbst in ihren Schranken läuffet.
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Was ist dann euer Zwek bey so erhitzter Müh',
Und was beschäftiget, was hält euch spat und früh?
Ich meyne, deren Sinn am allerhöchsten steht,
Ihr sucht was Seltenes, ihr wollt was Grosses finden.
Hat's, wer mit Fürsten-Volk in einem Paare geht?
Besitzens etwa die, die Feinde überwinden?
Solls ein erhabner Rang, solls etwa Reichthum seyn?
Ihr geht vielleicht auf eins, vielleicht auf alles ein.
Wohlan! wen haltet ihr auf diesem Erden-Plan
Für den Erhabensten? Ihr sprecht: Den teutschen Kaiser:
Den Fürsten, dem ein Heer von Fürsten unterthan,
Die Krone, und den Knopf viel Königlicher Reiser.
Schaut her! die List und Kunst zu grossen Dienern macht,
Wie weit es Sinzendorf bey Treu und Glauben bracht!
Exempel können sonst, was keine Lehre kan:
Ihr Menschen, möchte euch diß Muster redlich machen,
So setztet ihrs mit Recht im Zimmer oben an,
Und richtetet darnach in Zeiten eure Sachen.
Doch gibts noch einen Grund, der gilt zu dieser Zeit:
Das rechte Redlich seyn ist eine Seltenheit.
Man sperrt ja in der Welt die Augen weiter auf,
Wenn man ein Ding besieht, das wir nicht täglich sehen;
Kein Pyramiden-Bau hemmt derer Leute Lauf,
Die in den Gegenden sonst alle Tage gehen;
Was gibt man nicht ums Gold, wie leicht wirds ausgetauscht
Dort, wo es wie der Kies, in denen Ufern rauscht?
Noch etwas: Wäre es nicht schon so lange her,
Daß Gott ein Wanderer auf dieser Welt gewesen;
So möchte man von Ihm und Seiner Sitten-Lehr
Vielleicht ein mehreres in unserm Wandel lesen:
Und da sey einer teutsch, da sey er welscher Art,
So ändert Er den Sinn, dem Er sich offenbart.
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Doch wie es mit der Treu der alten Teutschen geht,
Davon Arminius und andre Helden brennen;
So eben sieht mans an, wenn in der Bibel steht,
Was Christus und Sein Volk zuwege bringen können:
Es wird die Helden-Kraft des Herrmanns im Roman
So gut, als Christus Werk, vom Narren nachgethan.
Steht mir zu reden frey, und warum schweig ich nun?
Ich glaube allem dem, was Jesu Jünger schrieben,
Ich spreche, wer es liest, derselbe solls auch thun,
Und bin zu dieser Pflicht von Zeit zu Zeit getrieben;
Doch merk ich, daß ein Theil der Christlich-klugen Welt
Mir, Jugend halber nur, das Ding zu gute hält.
Wie herrlich wäre das, wenn in der Leser Zahl
Sich ein und andere (ach! wärens viele,) fänden:
Die, weil sie alles Thun in diesem Jammerthal
Für puren Tand erkennt, vergehend untern Händen,
Nach einer bessern Stadt ihr Wollen ausgestrekt,
Und ihren edlen Geist zu edlerm Trieb erwekt.
Denselbigen sey kund: Gott, unser Erz-Monarch,
Der Fürst der Könige, der Herr von allen Herren,
Der sich, vor dieser Zeit, in Knechts-Gestalt verbarg,
Und ließ Ihm Seinen Thron, zu unserm Besten, sperren,
Der gütigste Regent wird höher nicht erfreut,
Als durch den süssen Blik der wahren Redlichkeit.
Nathanael, ein Mann mit diesem Preis versehn,
Ließ gegen Gottes Lamm viel harte Worte fahren,
Bevor er sich entschloß Ihm ins Gesicht zu gehn;
Und der Allwissenheit gefiel ein solch Gebahren,
Warum? Sie kennete den redlich treuen Sinn,
Und zog den Mißverstand in ihre Liebe hin.
So ists! Die Redlichkeit, die nur aufs Wesen sieht,
Mag sich mit keinem Traum, noch falschem Lichte schleppen.
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Wenn sie des Vaters Kraft zum Sohn hinaufwerts zieht,
So steiget sie auch gern die allgemeinen Treppen.
Was sie nicht glauben kan, das gibt sie auch nicht vor;
Und was sie einmal glaubt, das predigt sie im Thor.
Ihr Menschen, leuchtete euch diese Himmels-Pracht
Der wahren Treue ein; so würd' euch nicht verdriessen,
Wenn Gottes Liebe erst die Herzen veste macht,
Daß ihre Reden dann von solcher überfliessen;
Der seines Herrn sich schämt, der ist kein ehrlich Mann,
Und der ist auch kein Christ, der Christi schweigen kan.

Fußnoten

1 Auszug entworfen zu Dresden.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 38. Auf Graf Rudolph Siegmunds von Sinzendorf. 38. Auf Graf Rudolph Siegmunds von Sinzendorf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B53C-B