1967.

Mel. O du seelen-bräutigam!


1.

Es war ehemals ein schaaf, wie man vom propheten Nathan (als der Satan Davidsfrieden hat gestöhrt) hat gehört, das hat einem armen manne aus der schüssel und der kanne alle tage mitgezehrt.

2.

Und das männlein fühlte doch, ein geheimes liebes-flämmlein zu dem lämmlein; als ein reicher prasser kam, und das lamm ließ auf seine tafel holen, that das männlein unverholen, als obs sterben wolt vor gram.

3.

Wenn man so im bibel-text, wies im alten bund gewesen, krigt zu lesen, sieht man wohl, daß auch ein trieb von der lieb damals waltete auf erden, daß man kunte jammrig werden, wenn man nicht beysammen blieb;

4.

Daß ein vater Jacob weint, wenn sein sohn vom wolf gefressen wird ermessen, daß er seinen Benjamin schwer gibt hin; daß ein Abraham mit schmachten gehen mag den Isac schlachten; Hagar Ismaels wird inn;

5.

Daß der könig David heult, wenn er Absalom, den buben, in der gruben, die er seinem vater macht, todt betracht; daß ihm Jonathans erbleichen innigst kan das herz erweichen; daß er Abnern theuer acht't.

6.

Und auf dies' und andre art merkt man wohl so manche triebe zarter liebe; aber auch in diesem stük ists ein glük, da ich Gott fürs neue preise, weil ich mich zur alten weise auch im lieben nicht mehr schik.

7.

Wenn ich schon was lieben soll, lieb ichs nicht allein empfindlich, sondern gründlich, und im innersten noch mehr. Wahrlich! eh'r könt ich meinen kopf vergessen, eh ein gast beym streiter-essen mir nicht mehr empfindlich wär.

8.

Keine liebe in der welt, wär sie noch so reputirlich, und ausführlich, gibt mir satisfaction; Gottes Sohn trägt mit seinem freundschafts-triebe und mit seiner feindes-liebe ganz allein den preis davon.

9.

Der stirbt für die creuziger, schämt sich seiner platt [1878] und puren bettel-huren vor dem grösten herren nicht, und verspricht, wenn sie sich so zu ihm setzen, und ihm seine füsse netzen, und der gast-herr spitzt und sticht;

10.

Läßt sich seinen noch dazu nicht beliebten favoriten immer hüten, setzt ihn dicht an seine brust, wohl bewußt, daß der ertz-apostel Peter drüber blasser oder röther, als natürlich, werden must.

11.

Da er uns in allen gleich war in unser fleisch gekommen, (ausgenommen das sündhafte herz-gewächs) bald perplex, bald im eifer, bald timider, arm und krank, und was ein ieder armer mensch hat für gepäks;

12.

Siehe, so geschah es auch, daß er kurz vor seinem scheiden von dem leiden in die ewge seligkeit, eine zeit, (daß man drüber critisirte, und manch lieblos urtheil führte) wenig wunder mehr bereit.

13.

Wies ihm überhaupt was klemm in der ganzen sache ginge, so befinge seinen herzens-Lazarum um und um eine krankheit, die so schleichen, bis die patienten leichen. Er war todt, und nicht warum?

14.

Was das herze da gefühlt, das sonst nur beyn händen nahme, so entkame eines gleich der höchsten noth; lieber Gott! half er itzt dem todten freunde, wars ein zeichen für die feinde, und er selbst so gut als todt.

15.

Das hat seine seel gefühlt, das hat ihn was rechts gebittert, hat gezittert, hat sich keinen rath gewußt, doch die lust, Lazarum sein herz zu wekken, und sein leben dran zu strekken, überwand in seiner brust.

16.

Also hat das Herzens-Lamm lernen für die brüder sterben, und wir erben das von keinem seraphim, sondern Ihm, wie wir denn kraft seines blutes, und aus bluts-kraft alles gutes nehmen müssen, was uns ziem.

17.

Für die brüder weiß ich nicht wie man itzo sterben solte, wenn man wolte; aber seiner eigenheit, seiner freud, und dergleichen sterben müssen, daß die brüder es geniessen, kömt oft vor zu unsrer zeit.

18.

Schäflein! die einander so, wie das Lamm Johann den lieben lieb gekrigen, seit der theuren kirchen-zeit, höret heut, was wir euch ans herze legen von der liebe ihrem segen und himmlischer herrlichkeit.

[1879] 19.

Sind wir uns gleich herzlich lieb, man ist darum doch dem flämmlein von dem Lämmlein näher noch als eurem licht: da geschicht gliedern ohne nägel-kerbgen, seiten ohne wunden-närbgen, in der that kein unrecht nicht.

20.

Unterdeß hat iegliches, Lämmlein! so ein kirchen- kindel, oder mündel, oder was sich jüngfräulich schmükt für dich, und was du zur eh ernennet, oder wieder frey erkennet, lieber als ein iedes sich.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. 12. Anhang zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 1967. [Es war ehemals ein schaaf]. 1967. [Es war ehemals ein schaaf]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B5A7-8