2321. Zum ersten kleinen Ehe-Jubilæo

den 7. Sept. 1747.


Text.


Der die braut hat, der ist bräutigam.

Das ist ein theurer werther satz, der weiset alle mit dem bunde der allerersten bundes-wunde geheiligte manns-namen in ihren platz, und zeiget ihnen an, warum man Christin spreche von der stunde an, da der Fürst Christ am creutzes-stamme geheiligt ward zum bräutigamme, als man ihm beyde hände ausgestrekt und die trau-ringe drein gestekt, in welche alle selge namen der seelenschaft zusammen kamen. Wer nun in dieser aussern welt ein weibs-bild freundlich unterhält, und dienet ihr zum schutz und schatten, und ist geformt zum ehegatten, desselben bürgerlichesmatrimonium ist für ein ehrlich contubernium gebucht im protocoll der wächter, das so die qualität der söhn' und töchter nach seinem formular bestimmt. Wer aber auf den einfall kümmt, zu wissen, wie man in den thoren Jerusalems die männer kennt, die Christus selbst zur eh' ernennt, da heissen sie: Procuratoren.


Text.


Der freund aber des bräutigams stehet und hört ihm zu.

Recit.


Man kan leicht denken, daß bey dergleichen unterredungs-art, als zwischen einer braut, die in des heil'gen Geistes pflegen geschmükt wird zu dem ehe-segen, und ihrem bräutigam sich offenbart, und sie nicht an die grosse glokke henken, ein sehr subtilestympanum harmonsch gestimmet zu dem ton der herzbekannten arrheton, gewöhnt ans blutgesumm und an den text der kleinen heerde: efflavit animum, nothwendig supponiret werde.


Text.


Und freuet sich hoch über des bräutigams stimme.

Recit.


Der bräutgam redt mit ihrer zwey'n, es ist kein zweifel, daß der vice-mann von seines amtes Principale und vom Decan der ganzen gnaden-wahle und seiner ehe-wahle so wol instruction begehren kan, eh er sich in das amt läßt ein, als täglich will [2220] gesprochen seyn, weil eines theils die reise lang, und dann auch in dem comitat, den eine solche braut auf diesem gang zu's Vaters hause um sich hat, der bräutgam sich incognito befindet, so daß sich einer mit bestand auf diesen selgen umstand gründet, um alles, was derPrincipal gethan will haben am gemahl, als aus der ersten hand zu haben.


Aria.


Und also hat man kein verbot, und darf den geist erheben, zu hören, was der liebe Gott, der Mann mit den fünf wunden roth, ihm will zu hören geben.


Recit.


Die andere person, mit der der bräutgam auf der reise zu seinem ehe-paradeise sich unterhält im sanften ton, die ist dann das zum bild der kirche, Gott Vaters seiner schönen schnürche, geschaffne weib. Ein leib, der dem in allen stükken ähnlich, darauf die ewge Mutter, als auf einer gnaden-statt, den in ein kind geformten Schöpfer ausgebildet hat persönlich. Wie ist ein faß, darinn der heilge Mann κατ᾽ ἐξοχὴν neun monat wohnen kan, so selig und so heilig! freylich. Wenn du kein solcher Atheist, (wie mehrentheils die Christianer,) bist, und bist vielmehr darum ein Christ, weil deine seel aus Christi Seite ist: so must du eine solche ribbe von der geschlacht'ten Liebe mit einer art von ehrfurcht sehn, mit der die engel vor der Kirche stehn.


Chor.


»Mit einer innigkeit, mit einer beugung ohne gleichen, die wir mit keinem gefühl erreichen.«

Recit.


Wie aber so ein eh-agent sein anbefohlnes weib so nahe kennt, daß er die leise bräutgams-lehren, (denn complimente hört man nicht, die herz-gespräche, die die gegenwart ersetzen auf gewisse art, die werden nur der braut geoffenbart, und bleiben ihre eignesphære,) daß, sag ich, er die capita der lehren in seines weibes herzen hören und aus dem grund-text teutschen mag, das ist die frag. Denn er ist seines weibes engel, er ist der dollmetsch von dem Mann, der manchesmal oracul sagen kan, zumal im punct derpardonablen mängel, so oft, so dunkel, so gelinde, daß sie die schwester kaum verstünde; es sey denn, daß der engel ihr aus menschlichkeit [2221] ein bißgen merklicher drauf deut'. Denn der ist weder fähig noch befugt, zu dulden was der bräutgam duldet, daher er auch, wenns weibgen sich verschuldet, es tieffer sucht. Ich habe vielmal dran gedacht, warum der knecht es rauher macht, als wie sein committent, der braut despote: ich habs auf die art resolvirt, damit der bräutigam im herzen triumphir, und die verliebtheit sich in diesem concentrir. So führt der Cämmerer,antitypus Hegai, den ton und den character Mardachai, er muß geliebt seyn, aber nicht charmir'n, er muß nicht heimführn, sondern nur zurechte führn, als bote.


Chor.


»Da geschicht gliedern ohne nägel-kerbgen, männern ohne seiten-närbgen, in der that kein unrecht nicht.«


Recit.


Gemeine! ich rede oder singe dir nicht unbekannte dinge für. Es ist wol wahr, es hätte ausser deinem raine dergleichen predigt den effect, als hätte man sich in ein feld gepflökt voll beine. Und nehm ichs gleichniß von vernünftgen leuten, so würde ich so viel bereiten, als wenn ich einem Onondag aufJanondagtaachte, so klug er sich auch dünkt, zum richter machte, was die balance von Europa eigentlich besag.


Chor.


»Denn der menschliche verstand ist mit finsterniß umhüllet, wo nicht Gott des Geistes hand ihn mit wunden-licht erfüllet.«


Recit.


Gemeine! und du zum eh-vereine absonderlich gehörigs Chor, im Herrenhager thor, ich sing dir seligkeiten vor, die deine. Du hast die menschen lieb, du wolltest gern, sie sähen unsern ehe-plan, in einer solchen fern, daß er mit halb gebrochnen strahlen noch was erbaulichs könnte mahlen, sie aber doch nicht blenden. Sonst hats bey herzen, die noch nicht erwacht, (wies oft ein unheilsamer schmerze macht, daß er verdruß und zorn erwekt,) den ziemlich ängstlichen effect, wenn einem was nicht gnug zusammenhängt, und gleichwol in dem herzen kränkt: sie schänden.


Chor.


»Und darum sprach Gott süßiglich zu seinem Vat'r im himmelreich mit seinen vollen sinnen: vergib ihn'n, Vater, sie wissens nicht, was sie mit mir beginnen.«


[2222] Recit.


Gemeine! ihr dem Marter-Lamm, als eurem bräutigam verlobte weiber, so wol die nach dem bilde sein zuerst geschaffne Männelein, als ihr zum typo der Gemein mit eurem ersten mütterlein aus Adams seite raus gerükt, wie sie nach vierzig zeiten aus des damals in manns-geberd gecreutzigten Erschaffers himmels und der erd mit einem speer geritzter seiten sich raus gepikt. Er segne euch an diesem Jubilé, der ersten nach des Schöpfers sinn von einem sünder und von einer sünderin gewagten eh'. Wovon ihr eine tochter in dem ehe-chor, und einen sohn im ledgen brüder-thor so vor euch seht, als documente: daß Jesus Christ mit einem treuen trieb von ganzem herzen nimmt vorlieb, und uns in Gott gethane werke gerne gönnte; wenn man auf nichts als das einfältig zielen könnte. Die tochter und der sohn sind sonst aus keinem andern thon, als ihr, die andern mannes-bilde, und als die übrige gesammte gülde der kirchen-schilderey'n; und ihr seyd aus demselben thon gebakken, daraus die Pokken und die Arawakken, Warauen und Acweyn, die Californier und menschen-fresser; (denn unser stoff ist in der that nichts besser.) Wenn aber unser Mann die welt durchzieht, vom marter-schweiß und tods-kampf glüht, und die verliebte funken sprüht, und der bekannte heilge Geist kommt einen tag zuvor gereist, und sagt den seelen-bräutgam an, und fraget nach, wer sehr um ihn gethan, und sich besprengen lassen möcht': so kommt ihm da ein jedes recht, es komm' ein geiler Tescaror, es sey gleich ein verhurter Mohr, es præsentir' sich eine Lapp'sche männer-närrn, er wird dergleichen lumpen-zeug gewiß so wenig, als wie euch, sein herz versperrn. Und blutet er auf eine seel (und wahrlich blutet er auf alle, wovon er weiß, daß ihnens blut gefalle,) so ist zugleich die leibes-höhl gepræparirt zum balsams-öl aus seiner keuschen leiche, die das specificum für alle glieder-seuche. Was sag ich viel? ihr kennt sie ja, es ist die ewge Gott'sgewalt, dadurch ihrs kranke hüttelein erhalt't, zum vorspiel, wies ihm künftig sey, [2223] wenn die mortalität vorbey. Ihr lebt, ihr beyden ehe-chöre! ins marter-leichnams atmosphære, Hallelujah!


Chor.


»Ach ja, ihr theuren seelen, ihr, die in leibes höhlen den Mann repræsentirn, und ihr, die als Matronen in denen ehe-thronen, den charactér der Kirche führn.«

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Zugaben 1-4 zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 4. Zugabe. 2321. Zum ersten kleinen Ehe-Jubilæo. 2321. Zum ersten kleinen Ehe-Jubilæo. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B7B3-B