2218.
Mel. Was macht ein Creuz etc.
1.
Es singt ein Creuz-Luft-Vögelein, ein täublein aus dem seiten-schrein, ein [2100] erstling von dem alten volk der Isroelschen hütten-wolk, an diesem gnaden-tag in seinem tauben-schlag dem Tolah auch sein verselein; doch wird es mir nicht möglich seyn mich auszudrükken, was da mein armes herze fühlt, wie die gehangne liebe spielt in meinem ihr ergebnen sinn, dem seelgen, das nur sein gewinn will seyn zu allen zeiten, bis in die ewigkeiten.
2.
Es siehet ihm nur kindlich zu, und bleibt in ungestörter ruh; hält die Chabbúrah beziddo sein herz nur immer licht und froh; wenn Satan was begehrt so wirds ihm nicht gewährt, weils täubelein im fels-loch sitzt, im löchlein da's so blutig blitzt, so ists geborgen. Es geht nicht einen schritt daraus: wies schnekgen mit sich führt sein haus, so hat es auch sein häuselein, kommt was in weg so zieht sichs nein, und läst das Lämmlein walten, Er wird es schon erhalten.
3.
Und wenn der kurze lebens-lauf zu ende ist, fliegts täublein nauf, und küßt sich an den wunden satt, und freut sich daß es sichtbar hat, woran es so verwehnt, wornach sichs oft gesehnt, wenn sichs zu trüben stündelein geschmiegt hat wie ein hündelein, zun blutgen füssen. Es giebt den füssen kuß auf kuß, und nicht nur iedem blutgen fuß, die durchgeborten händelein, das durchgestochne Lendelein küßts immer ohn aufhören, wer kans dem seelgen wehren?
4.
Ach wenn doch bald die seiten-höhl erschiene dem volk Israel, und blendete sie ins gesicht, so würden sie vor diesem licht gewißlich sinken hin, und wirklich werden inn, daß Jeschua der Bore ist, der Thola unser Gott und Christ, auf den sie hoffen. Ich weiß, das Kirchlein dieser zeit trägt wol ums alte kirchlein leid, und wünscht es wäre nicht mehr weit der Juden ihre seligkeit. Ich wünsch es auch mit sehnen, und oft mit tausend thränen.
5.
An diesem buß- und sühnungs-fest, das uns das Lämmlein feyren läßt, leg ich dem geiste frau'n und mann' mit ihrem tieffen Jüd'schen plan, aufs Mutter-herze hin, das nehm uns in den sinn, und denke je zuweilen dran durch den neu-testamentschen Plan, Isroels [2101] Manne! Ich bleib indessen in der still, bet', wein', und denk wies werden will, und laß mirs wohl und selig seyn, genieß der itzigen Gemein; sie gibt uns manchen segen ums grossen Juden wegen.
6.
Ich schliesse: doch es fehlet mir ein wörtgen noch zum ausdruk hier, weil ich so gern einmal beschrieb wie sehr ich meinen Vetter lieb, den ich im geist kan sehn vor mir vorüber gehn. Ich küß die theuren schrikkelein, und denk, ich krieg ein blikkelein, das macht mich frölich. Das Lämmlein laß sichs wol gefall'n, und laß mein seelgen mit ihm wall'n so wie ichs etwa gerne hätt; wenn ich im feld, haus oder bett, bedenk die künftgen sachen, so denk ich: laßts nur machen.