2331.

Mart. 1748.


Mel. Seiten-höhlgen etc.


1.

Ach, mein allerliebstes Lämmlein! ich verwöhntes lieblinglein fühl des Seiten-höhlgens flämmlein, und das lodert in mich 'nein. Ach, ich armes tröpfgen! ich bin ein geschöpfgen aus der mutter, die aufriß jener spieß, der dem Lamm ins herze stieß.

2.

Dem speer, der causæ secundæ der unergründlichen gruft, tönt das volk vom wunden-bunde, wittert von der leichnams-luft. Sel'ges augenblikgen! da der speer das schrikgen, ja das Gottes-grosse fach grub und stach; ich fühls, wie das herze brach.

3.

Seiten-höhlgen wittert immer speciell und allgemein: jedes kan, Gott lob! sein zimmer für sich haben ganz allein, und der mund bekennet, wie das herze brennet von dem blut-rubinen schrik, und vom blik auf des Mannes letzten nik.

4.

Ueber das charmante höhlgen, allerliebster Herzens-Mann! büß ich einmal ein mein seelgen, weil ich's [2230] schon nicht helfen kan. Es ist so magnetisch, und so sympathetisch. Es wär um ein küsselein, Jesulein, so entflögs sein'm hüttelein.

5.

Soll ich noch hier nieden bleiben, liegt dir selber etwas dran, will ich sünderhaftig gläuben nach des Seiten-hölgens plan, daß du mich wirst wissen durchdiætsche bissen aus dem liebsten Seitelein zu erfreun, sonst kan ich nicht selig seyn.

6.

Ja, das weiß ich armes dingel, Seiten-höhlgen läst mich nicht: ich kenn den magnetschen angel, der sich um mein herze flicht. Wie das thut, wies spielet, habe ich gefühlet Mann! ach, ich bedanke mich inniglich, und das Seitlein spüre ich.

7.

Ach Herr Jesu! solche nähen, machen mich im Seitenschrein nach und nach zu grunde gehen, immer tieffer, immer 'nein. O du ewigs glükke! das gibt helle blikke in das göttliche revier, daß man schier sünderhaft gen himmel führ.

8.

Ey wie setzt da nasse augen, wenn man dürst und warten muß: man möcht sich zu tode saugen beym verstatteten genuß. Ach, wie lekt das mündel! ach, wie nutscht das kindel! denn ein kind der gnaden-wahl weiß einmal kein vollkommener regal.

9.

Bey dem Höhlgen bleib ich stehen, höher kan ich nun nicht mehr; schöners kan ich nichts mehr sehen, als die narbe von dem speer. Ach die zieht zusammen millionen flammen, in den concentrirten strahl aus dem maal: Jesu wunden ohne zahl.

10.

Kommt man in das tieffste ekkel von der aufgespaltnen Seit, o so wird gewiß kein flekkel an des Lämmleins eingeweid uncredenzt gelassen. Es ist nicht zu fassen, was das herze schmekket da, gelte ja!Pleura Jesu Jehovah!

11.

Unser seufzer ist zur Höhle, unser blik Char-freytagshaft; unser lehrsatz: leib und seele fährt hinein, wo's seitlein klaft: Seiten-höhlgen, ave! ora sponsæ suave! das ist unser liedelein. Die Gemein das sind höhlgens-herzelein.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Zugaben 1-4 zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 4. Zugabe. 2331. [Ach, mein allerliebstes Lämmlein!]. 2331. [Ach, mein allerliebstes Lämmlein!]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B8EF-1