1887.

Mel. Sein creuz, die schmach, etc.


1.

Ein Lämmlein geht und trägt die schuld der welt und ihrer kinder; es geht und wird mit viel geduld das bildniß armer sünder.

2.

Ach könig groß zu aller zeit! doch niemals mehr und grösser, als in dem blutgen [1806] marter-kleid; besäng ich dich nur besser!

3.

Doch wenn ich schon nicht singen kan, wenn ich nur nach dir dürste, du für mein heil verdürstter mann! bist du mein gnädger fürste.

4.

Und deine hände segnen mich, wenn dir die seel begegnet: der leib, dein tempel preiset dich, wenn blut ins herze regnet.

5.

Von diesem thau, von Jesu blut, kan niemand so viel wissen, als eine creuzgemeine thut, bey ihres bräutgams füssen.

6.

O Geist! den man auch mutter heißt, und das gewiß nicht übel; o Geist! der Jesum Christum preist in seiner ganzen bibel;

7.

O Geist, deß ganze kirchfahrt steht in Jesu blauem ringe, die um dein mutter-herze fleht, du sorgst für alle dinge.

8.

O Lämmlein Jesu noch so klein! nach dir kan einem bange und unaussprechlich ängstlich seyn, bis daß man dich umfange.

9.

Wenn man dich nun vor augen hat mit deinen blutgen strahlen, so möcht man dich der Gottes-stade mit tausend farben mahlen.

10.

Doch mahl dich lieber selber für, ja werd ins herz gegraben, o Lämmlein! so genüget mir, bis ich dich gar kan haben.

11.

So wahr du Gottes heilger Christ, Gott von Gott, licht vom lichte, und ein getreuer Heiland bist, mit freundlichem gesichte;

12.

So wahr bin ich ein armes kind, das gar nicht könte leben, wenn ihm nicht dein versöhnungs-wind den othem wolte geben.

13.

Mein lieber Heiland mache nur, gib deinem armen kinde, daß es die eigentliche spur von deinem antlitz finde.

14.

Und daß ich dann mit blutgem saft, den leib mit allen narben hermahlen kan der brüderschaft, als deine glieder starben:

15.

Und was du in dem augenblick für einen blik gegeben, als du zu unserm ewgen glük hast aufgehört zu leben.

16.

Inzwischen sehe ich vernügt, wie dus mit meinem leibe und meiner armen seel gefügt, daß sie dir nah verbleibe.

17.

Gewiß, mein Lamm! ich freue mich, daß ich an deinem leibe kan bleiben unveränderlich: und daß ich dieses gläube.

[1807] 18.

Du, der du bist dem Vater gleich, führ ohne viel geräusche in deinem kleinen seelen-reich den sieg hinaus am fleische.

19.

Ach bleib auch der Gemeine so, daß dich ihr geist umarme, und, deiner nägelmaale froh, an deiner brust erwarme.

20.

Es kostet dich kaum einen flug, kaum einen schritt zur seele, du kamst ja ehdem weit genug zu unsrer sünderhöhle.

21.

Und dafür sagen wir dir preis, Herr Christe unsre Liebe! Ist unsre treu gleich nicht so heiß als deine marter-triebe;

22.

So siehet doch, du ewigs Gut! ein iedes, wo es bleibe; tränk du's nur mit dem theuren blut, gib ihm von deinem leibe.

23.

Insonderheit gedenk du fein an deiner kirchlein eines, das es von herzen gern will seyn; wenn ists ein treu und reines!

24.

Wenn ist es ganz nach deinem sinn! wenn bad'ts in deinem blute! wenn geht sein ganzes wesen hin verlohr'n in deinem muthe!

25.

Daß es in einem kinder-sinn sich völlig dahin richte, wo Jesus wirklich siehet hin und seine dinge schlichte.

26.

Und daß es mit demselben blik, der auf die fürchlein gehet, sein unveränderliches glük tieff in das herz empfähet.

27.

Herr Jesu! deine wunden roth, und die zerstochne stirne, dein ganzes leiden bis zum tod leucht aus der Mär'schen dirne.

28.

Du machest sie nach ihrem sinn so glüklich, anzusehen, wie nach dem weiten Nord-pol hin die wilden herzen stehen.

29.

Wer weiß, wenn man in einem thor der Persen und Mungalen, wo nicht auf dächern, doch ins ohr, spricht von den wunden-maalen?

30.

Was! wer ist Gott? ein zimmermann, der als ein weiser diener, in dieser art zu seyn begann der ganzen welt versühner.

31.

Er hat der weisen ihren stolz gewust zu confundiren, und endlich doch an einem holz das heil hinaus zu führen.

32.

Lamm! wenn du priester-amtes pflegst, und alle arme sünder dem Vater vor das herze trägst, als deine eigne kinder;

[1808] 33.

So denk an dis dein kirchlein hie, das du dir hast erworben, das gerne deiner creuzes-müh zu liebe wär gestorben.

34.

Und weil du in dem eignen fleisch die creatur gewonnen, so mach das fleisch getreu und keusch durch den blik deiner sonnen.

35.

Du Gott und Vater aller ding, der alles hat umfangen, indem sein leichnam so gering, so nakt, so todt gehangen!

36.

Vollführe deinen liebesrath, und bringe alle wunder des Gottes-flämmleins bald zur that in diesem deinem zunder.

37.

Alsdann krigt Jesus Jehovah durch alle unsre chöre ein untermischt Halleluja und Jesu miserere!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. 12. Anhang zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 1887. [Ein Lämmlein geht und trägt die schuld]. 1887. [Ein Lämmlein geht und trägt die schuld]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B98A-8