[354] 125. Auf Democritum 1 den Christianer 2
1734.
So ist Democritus dann aus dem Streiter-Thal
Ins Feld der Ewigkeit den Samen schauen gangen,
Den er so lange her zu säen angefangen?
Er warb wol eigentlich nicht zu des Lammes Mahl;
Dagegen wolt er sich ans Kirchen-Wesen machen,
Was Spener nicht erweint, das wolte Er erlachen.
Democritus, mein Freund! Mein Auge thränt zum Herrn,
Daß dein so muntrer Geist, beym Triebe der Gedanken,
Des rechten Pfads verfehlt der weisen Gnaden-Schranken,
Des Buchs der Zeugenschaft vom hellen Morgenstern.
Ein kluger Lehrer wird nicht eher ein Prophet
Bis ihm des Lammes Blut durch Leib und Seele geht.
Gewiß wer Pauli Fluch mit offnem Kopfe liest,
Er habe gleich ein Herz, ein zäher Herz als Leder,
Der hängt unfehlbar ein, der hemmt die schnellen Räder
Der flüchtigen Vernunft, wenns an dem Berge ist.
Es gibt Materien auf der gelehrten Erden,
Dabey nicht nöthig ist Anathema zu werden.
Ich kenne Dippels Weg, wovon er sich verirrt,
Den Zug beym ersteren Genuß des Abendmahles,
Die Gnade rührte Ihn vermittelst eines Strahles,
[355]Der bey den Ordnungen des Lamms verheissen wird.
O wär ich, sagte er, darinnen fortgegangen,
So hätte ich erlangt, was ich noch soll erlangen.
O wenn Democritus zu Christi Füssen lag
Gebükt, gerührt, geschlacht, und in sich selbst verarmet,
Gekehrt zum Sünder-Freund, der sich so gern erbarmet,
3Da blikte Ihm vielmal ein Schein vom Gnaden-Tag:
Wenn er (wie ich gesehn) mit Witz und Wissen stritt;
So weinte man gewiß von ganzem Herzen mit.
Gelehrte! kommt heran zum Sammel-Platz des Lichts,
Bemühet Euch zuerst, zu wissen, was Ihr wollet,
Dann lernet auch, wie Ihr zum Zwek gelangen sollet.
Ihr wißt: ich geb es zu; was habt Ihr aber? Nichts.
O wie wird Hand und Fuß und Kopf umsonst geübt,
Der Schrift geglaubt, die Kraft bewahrt, das Lamm geliebt.