4. Aschenpüster.
Ein reicher Mann, der Witwer geworden, hatte eine einzige Tochter, die schön und lieblich heranwuchs. Da wurde des Vaters Herz von unreiner Liebe zu ihr entzündet; sie aber widerstand seinem Begehren. Da drohte er ihr mit Gewalt und nun sann sie auf List. Sie versprach ihm zu Willen zu sein, wenn er ihr ein Kleid gebe, das von Silber stehen könne. Als sie das bekommen, verlangte sie eins, das von Golde steif sei, und zum drittenmale eins, das von Gesteinen stehen könne. Wie sie auch das erlangt, sagte sie ›nun fehlt mir noch ein Krähenpelz‹, und endlich hatte sie noch einen Wunsch: eine Glücksruthe; auch die bekam sie.
[479] Nun wohnte in einem Lande ein schöner Prinz, der hatte von der Schönheit des Mädchens vernommen. Sie nahm die Ruthe in die Hand, die Kleider auf die Schulter und wünschte sich in die Nähe von dem Schloß des Prinzen. Alsbald war sie in dem Schloßgarten. Da wünschte sie sich einen Schrank in einer Eiche des Gartens, that ihre Kleider hinein, zog den Krähenpelz an und ging in die Schloßküche, wo sie sich für einen armen Knaben ausgab, der Dienst suche. ›Dich kann ich gebrauchen,‹ sagte der Koch, ›du sollst Aschenpüster werden.‹ Nach ein paar Tagen kam der Prinz in die Küche und brachte ein erlegtes Wild hin; sie sah ihn und er gefiel ihr über die Maßen.
Bald darauf war eine Hochzeit auf einem Schlosse in der Nähe; der Prinz fuhr auch hin. Viele Leute liefen, um dem Tanze zuzusehen. Aschenpüster bat den Koch auch um die Erlaubniß, zusehen zu dürfen. Da lief sie zu der Eiche, zog das silberne Kleid an und wünschte sich einen Wagen, in dem sie nach dem Schlosse fuhr. Der Prinz sah sie und tanzte mit ihr. Aber nach ein paar Tänzen war sie verschwunden, setzte sich auf ihren Wagen und sprach:
›Hinter mir dunkel und vorne mir klar,
Daß Niemand sehe wohin ich fahr.‹
Am andern Morgen war der Prinz sehr übler Laune, er hatte die ganze Nacht gewacht und immer an seine schöne Tänzerin gedacht. Aschenpüster mußte ihm die Stiefel putzen; das that sie auch, aber ein kleiner Flecken an den Zehen blieb ungeputzt. Das bemerkte der Prinz, kam zornig in die Küche hinein und warf ihr den Stiefel an den Kopf.
Am nächsten Abend wurde wieder getanzt und Aschenpüster bat den Koch wieder um Erlaubniß. Diesmal zog sie das goldene Kleid an und fuhr im Wagen dahin. Der Prinz hatte schon nach ihr ausgeschaut und wurde sehr vergnügt, als sie kam. Beim Tanze fragte er sie, wo sie zu Hause sei. In Stiefelschmeiß, antwortete sie. Sie blieb eine Stunde da, dann verschwand sie. Umsonst fragte der Prinz, wo Stiefelschmeiß läge; Niemand konnte es ihm sagen.
Der Prinz that die Nacht wieder kein Auge zu und war noch verdrießlicher als am Tage vorher. Aschenpüster mußte ihm den Rock bürsten, sie konnte es ihm aber nicht recht machen und zuletzt warf er ihr die Bürste an den Kopf.
[480] Am dritten Abend, als Aschenpüster sich wieder Erlaubniß zum Zusehen erbeten hatte, zog sie ihr Kleid mit den Edelsteinen an. Der Prinz fragte sie beim Tanze, wo sie wohne. In Bürstenschmeiß, gab sie zur Antwort. Wer du auch seist, sprach er, nimm diesen Ring von mir. Sie ließ sich den Ring an die Hand stecken. Dann wollte sie entschlüpfen, aber der Prinz paßte ihr auf und fuhr dicht hinter ihr her. Sie stieg bei der Eiche aus, hatte aber nicht Zeit, das Kleid abzulegen, sondern zog nur in Eile den Krähenpelz drüber.
Als am andern Morgen der Koch die Suppe bereitete, ließ Aschenpüster den Ring hineinfallen. Der Prinz fand ihn und fragte, wer in der Küche gewesen. ›Niemand als ich und Aschenpüster,‹ erwiderte er. Er ließ Aschenpüster kommen. ›Mich juckts auf dem Kopfe,‹ sprach er zu ihr, ›sieh nach, ob Ungeziefer drauf ist.‹ Aschenpüster gehorchte; wie sie aber vor ihm stand, da sah er unter dem abgenutzten Krähenpelz das Demantkleid hervorschimmern. Da erkannte er sie. ›Nun bist du mein,‹ sprach er, und er machte sie zu seiner Frau und sie lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.
Vgl. Meklenburg. Jahrbücher 5, 84-86.