150. Der Pfingstritt zu Fulgenstadt.

Den Pfingstritt in Fulgenstadt machen 14- bis 16jährige Bursche mit, und zwar zwei Partieen: die Kavallerie und die Infanterie. Bei den erstern sind in der Regel nur solche Pfingstbuben, deren Väter oder Dienstherren Rosse haben. Der Infanterie gehören ärmere Bursche an. Den Sonntag [135] vor Pfingsten findet das sog. »Ausplatzen« statt. Nach dem Vormittagsgottesdienste reiten nämlich diejenigen Buben, die an dem Pfingstritt Theil nehmen wollen, auf einen freien Platz in's Feld hinaus unter dem Zulauf von Alt und Jung. Die Reiter stellen sich in einer Linie auf und eilen auf ein gegebenes Zeichen mit ihren Pferden einem vorgesteckten Ziele zu. Wer zuerst ankommt, darf die erste Rolle spielen u.s.f. Die Infanterie macht es unter sich durch Uebereinkunft aus. Am Pfingstsonntag werden schon Eier und Fleisch eingesammelt. Der Pfingstritt selbst findet am Pfingstmontag nach dem Mittagessen statt. Die Pfingstbuben erscheinen in ihren Festgewändern, worüber ein weißes Hemd geworfen ist. Am rechten Arm hat jeder eine Masche von Bändern und der runde Hut ist ebenfalls mit einem Band geziert. Der Schleppsäbel fehlt bei keinem und wird bei jedem Spruch aus der Scheide gezogen. Der erste Reiter hat noch eine Schärpe um den Leib und ein mit Blumen verziertes Haupt. Der Maienführer hat einen schön verzierten, aber ziemlich großen Maien in der rechten Hand. Der »Hatzeler« ist ganz mit frischem grünem Laub eingehüllt, so daß er beinahe unkenntlich ist und ganz dick aussieht. Ihm sind ganz derbe Scherze erlaubt, z.B.:


's Wirts Magd des Bollefaß,
Ist hinte dreckig und vorne naß.

Auch wird er in Mitte zweier seiner Mitkameraden an einem Seile gehalten. Die Pferde sind schön gepuzt und meistens überladen verziert und gesattelt.

Gleich nach dem Mittagessen am Pfingstmontag geht's galoppirend aus Fulgenstadt hinaus, Sießen zu, allwo die Schaar im Wirtshause, beim Forstmeister, dem Pfarrer, den [136] Klosterfrauen und den Bauern vorreitet und ihre Sprüche hersagt. Am Ende erhält der »Beutelmeister« von den Geehrten Geld. Die Säge und die Holzmühle werden auch noch mitgenommen. Die Infanterie kommt nur zu diesen beiden Häusern, nicht aber nach Sießen, denn nach der Vesper muß die ganze Schaar schon wiederum in Fulgenstadt eingetroffen sein. Alldort machen sie vor dem Pfarrhofe den Anfang. Für den hochwürdigen Ortsgeistlichen ist ein eigener Spruch beigesezt. Hernach geht's zum Lehrer und Schultheiß und zu den vermöglichern Bürgern des Ortes. Die Infanterie nimmt's nicht so genau, sie kehrt vor jedem Hause an, wo sie einige Kreuzer zu bekommen hofft. – Nach beendigtem Ritte werden die Pferde nach Hause gethan, um sich sogleich nachher in's Wirtshaus begeben zu können. Da wird nun vorerst das ersammelte Geld – oft an 12 Gulden, bei der sog. Infanterie weniger – unter haarscharfer Controle vertheilt; die Viktualien, namentlich die Eier, werden von der Wirtin umsonst präparirt und von der ganzen Mannschaft verzehrt. Zechen kann um seine ihn getroffene Portion Geldes Jeder wie er will. Die Reiter und die Infanterie setzen sich getrennt je an ihren Tisch; denn jene fühlen sich über diese erhaben.

Hier folgen nun einige Sprüche, wie ich sie aus dem Munde alter Männer vernahm. Sie sagten sie mir mit jugendlichem Eifer und recht gerne vor.

1.

Woher kommst du geritten,
Und bringst keine mehr mit dir?
[137]

2.

Ich reit' herein von der schönen langen Gassen,
Wo die schönen schwarzbraunen Mädchen auf den Bäumen wachsen.
Ich hab' sehr weiters nicht daran gedacht,
Sonst hätt' ich an Paar zwei, drei, vier mir heimgebracht.

1.

Ach nein, ach nein, wie hast du dir so recht gethan,
Daß du hast solche Sachen unterwegs gelassen,
Sonst könnte ein jeder Narr eine schöne Jungfrau haben.

2.

O ihr Lieben und Ungetreu,
O ihr Fürnehm und Ungetreu,
Was fangen wir jezt an mit diesem armen Mann,
Den wir jezt schon so lang gefangen hab'n?

1.

Was Uebles hat er denn gethan,
Daß ihr ihn habt gefangen?

2.

Er ist so weit in's Feld naus gangen,
Mit Spielen, Saufen, Zaubereien hat er wollen umgehen,
Und, die sündige Welt, die man vielleicht nicht sagen darf.

1.

Ich fürch', ich fürch',
Ihr macht's ihm viel zu scharf.

2.

Schweig still, schweig still von solchen Sachen,
Wir wollen's ihm zu recht zu machen.
[138]
Wir wollen ihn fragen um Rat und That,
Was Uebles gethan er hat.
Hebet eure Kolben und Degen auf
Und schlaget Alle tapfer d'rauf.

3.

Hoch und wol geehrter,
Hoch und wol gelehrter,
Hoch und wol weiser,
Hoch und wol Preiser,
Sehr andächtiger,
In Gott Geistlicher,
Herr, Herr Dominikus von Wagemann,
Seelsorger allhier.
Mit seiner angenehmen Gütigkeit
Hat er uns junge Knaben schon längst erfreut.
Weil es ist ein alter Gebrauch und Gewohnheit,
Den Pfingstritt zu halten auch,
So haben wir jezt diese Freiheit angenommen,
Und sind hieher angekommen,
Wie wir uns jezt präsentiren wollen,
Wie junge Knaben thun sollen,
Nicht nach hoch und stolzem Rat,
Sondern nur nach seiner jungen Jugend zart,
Wir wünschen ihm eine gute Gesundheit,
Wie auch ein langes Leben,
Welches ihm der allerhöchste Gott woll' geben;
Wir wünschen ihm Fried' und Einigkeit,
An dem hat Gott allzeit ein' Freud';
Wir wünschen ihm aus Herzensgrund
Glück und Heil zu jeder Stund'.
[139]
Zu allvorderst seiner Jungfrau Maria Anna Hauserin allhier,
Dieselbe begrüßen wir
Ganz freundlich hier und mit Begier,
Und wünschen ihr eine gute Gesundheit,
Wie auch ein langes Leben,
Welches ihr der allerhöchste Gott woll' geben;
Wir wünschen ihr aus Herzensgrund
Glück und Heil zu jeder Stund;
Da werden wir sagen zu mehreren Vago (?)
Höchsten Dank abstatten.
Aber es ist zu bemerken wol,
Daß es wird hergehen vortrefflich toll.
Tafel, Tisch, Stühl, Bänk haben wir genug,
Karten, Maaskrüg, Gläser wol auch dazu;
Aber es ist zu merken wol,
Daß ihr uns nicht vergessen sollt,
Sondern er soll uns auch etwas verehren,
Aus seiner Küche und aus seinem Keller,
Damit wir können füllen
Unsere leere Glas und Teller. Holla!

4.

Der Unterst und der Oberst unter den Husaren,
Franzosen, Krawatten, Rebeller neinfahren,
Und daß kein Kriegsherr nichts wol richten thut,
Das ist mein größter Freud und Mut.
Da reit ich mit 50, 60 tausend Mann auf die Gardei,
Ganz unerschrocken, frisch und frei,
Daran wag' ich mein junges Leben,
Es ist mir nicht viel daran gelegen,
Ich weiß nicht, komme heut oder morgen wieder
[140]
Mit meinen ganzen oder halben Gliedern.
Türk, Türk, du mußt mir sterben,
Kann ich auch Parteier werden,
Türk, Türk, flieh aus meinem G'sicht,
Oder du erzürnest mich.
Ich bin em Kaiser angelegen,
Sechs Jahr im Krieg gewesen,
Hab etwas erfahren
In meinen jungen Jahren,
In meinen alten Tagen,
Hab mein Fahnen geschwenkt
Ueber alle Wiesen und Ränk,
Daß alle meine Soldaten zusammen kämmt. Holla.

5.

Der Metzgerknecht bin ich genannt,
Im ganzen Land bin ich bekannt,
Das ganze Land muß ich auslaufen,
Ochsen, Küh und Kälber kaufen;
Kaufe wohlfeil ein,
So trinke ich ein gutes Glas Wein;
Kaufe aber eine theure Kuh,
So stoße mein Nas in Wasserkrug. Holla!

6.

Maienführer bin ich genannt,
Den Maien führ ich in meiner Hand,
Den Sabel an der Seite,
Mit dem Türken muß ich streiten;
Wann der Maien steigt,
So reit ich, daß es Feuer geit;
[141]
Wann der Maien fällt,
So reit ich, daß der Boden schnellt. Holla!

7.

Beutelmeister bin ich genannt,
Den Beutel hab ich in meiner Hand.
Hausvater, Hausmutter, wollen Sie auch so gütig sein,
Langet Sie in ihre Tasche nein,
Ziehet auch ein paar Thaler raus,
So wollen wir Alle lachen überlaut.
Fünfzehner, Zwölfer, Sechser, Groschen,
Nur kein Vögeles-Groschen. Holla!

8.

's ist auch noch an schöns Mädle hie,
's hat an zumpferes Mäule,
A Schnorren wie a Säule,
A Zungen wie a Kabisblatt,
A Nasen wie a Futterfaß,
A Nasen wie a Becken.
Z'Obed schlupft se früh unter Decke,
Morgen spät raus,
Und wenn er went wissan,
Was des für oine sei:
's Wirts Magd ist dem N. nachg'sprungen. Holla!

9. Der Hatzeler.

Holla, Holla! ich bin au no do
Mit mein fuchsroten Haar,
Ich bin heute Morgen früh aufg'standen,
Ich haue g'loset, ob Niemand reit oder fahr,
[142]
Daß ich nicht der Allerlezte war,
Der Allerlezte bin eh woren,
Des Ding hot me vermaledeitisch g'schoren,
Wenn me hätt' a wenig besser g'flissen,
No wäre für den Reifanschmecker füre g'ritten. Holla!

10. Der Koch.

Koch, Koch bin ich genannt,
Ich kann ja kochen, 's ist a Schand.
Bin in's Feld naus gangen,
Hab' mir ein schönes Paar Mäus g'fangen,
Hab's meinen Herren hergeröst,
Da hat ihnen 's Essen wohl geschmeckt. Holla!

11. Der Schwanzreiter.

Ich bin so klein, wie a Maus,
Ich schlupf bei allen Löchern naus,
Ich hab' kein Geld in meinen Taschen,
Daß ich kann mein' Gurgel waschen;
Mein' Gurgel ist gar so klein,
's gend zwei bis drei Eimer nein.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. Märchen und Sagen. Sitten und Gebräuche. Sitten und Gebräuche. 1.. 150. Der Pfingstritt zu Fulgenstadt. 150. Der Pfingstritt zu Fulgenstadt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-FA47-7