439. Das Sterben.

Riedlinger Gegend.


Wenn ein Todter in den lezten Zügen liegt, mit dem Tode ringt, so glaubt man, jezt streite der Schutzengel und der Teufel um die Seele des Sterbenden, welchem Streite der Sterbende zusehe und nun durch Lächeln oder düstere Miene den Gang des Kampfes andeute. Man sprizt dann überall um die Bettstatt her mit dem Weihwasser. Auch sollen sich so viele Teufel um den Sterbenden versammeln, als die Stube nur fassen mag, und immer sollen noch Schaaren nachrücken, so viel Thür und Fenster davon schlucken mögen. Diese halten dem Sterbenden seine Sünden vor, geschrieben auf eine Kuhhaut, um ihn zur Verzweiflung zu bringen. Man hat nun eigens dazu geweihte Krucifixbildchen, »Sterbherrgöttle« genannt, die man den [279] Sterbenden in die Hand gibt, damit sie die Drohungen des Satans stark ertragen. Wenn man glaubt, daß der Sterbende den lezten Athemzug gethan, jedoch häufig schon vorher, fangen die Weiber ein greuliches Schluchzen und Weheklagen an, das den Baß der betenden Männer durchbricht, welch' leztere eine Litanei mit dem bekannten Refrain: »ərbarm d.r arm Seel im Fëəgfuir!« beten. Nachher entschuldigen sich die Angehörigen gegen ihre Nachbarn und Anverwandte, daß sie an dem Tod nicht schuldig seien, daß sie alles Menschenmögliche gethan hätten, den Kranken zu retten. Die Nachbarsleute, welche man schon vorher »zum End« zusammengerufen hatte, verlieren sich allmälig, indem sie dem Verstorbenen das Weihwasser mit einem Bündelchen von drei ausgekörnten Roggenähren geben und sich lobend über des Verstorbenen Leumund hören lassen. Neben das Bett stellt man einen brennenden »Wachsrodel«, des Verstorbenen Hände werden gekreuzt, mit dem Ende eines Wachsstockes und einem Nuster umwickelt, die ihm in's Grab mitgegeben werden, er selbst wird mit seinen Werktagskleidern bekleidet, die Zipfelkappe wird ihm an den Kopf gezogen, die Füße werden mit Strümpfen versehen, schließlich wird er mit einem weißen Leinlachen zugedeckt. Ein Anderer öffnet das Fenster, »um die Seele hinausfliegen zu lassen,« wobei einige sagen: »Geh hin und pfludere!« (Flattere als Taube gen Himmel!) Jezt muß man schnell die Immenstöcke von ihrer Stelle rücken, ebenso die Leinfässer und Kleesamenfässer, die »Frucht« (Getreide) auf der »Laube« (Bühne) umschlagen und an alle Fässer im Keller dreimal klopfen, sonst »steht Alles das ab!« Auch im Stall muß man die Trauer ansagen, wo gewöhnlich die Nachbarsleute für das herrenlos gewordene Vieh sorgen, so lange die Leiche des Bauers im Hause liegt.

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TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen, Volksaberglauben. 4.. 439. Das Sterben. 439. Das Sterben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-FB20-6