390. Die Kunkelstube.
Von Martini bis Georgi beschäftigen sich die Weibsleute größtenteils mit Spinnen. Die jungen Mädchen laden einander gegenseitig ein zur »Kunkel« auf den Nachmittag. Da wird sodann, um die geschwätzige Unterhaltung mehr zu würzen, mit Bier und Brod und auch mit dem nirgends fehlenden Kaffee aufgewartet. Auch frisches und gedörrtes Obst fehlt nicht, wenn solches selbigen Jahres gut geraten ist. Die Unterhaltung dreht sich gewöhnlich um die Herzensangelegenheiten der Mädchen mit Einschluß teils trivialer, witziger, teils unschuldiger Jugendspässe. Die Mädchen sehen's daher gerne, wenn der ernstere Hausvater nicht anwesend ist, und man wählt gewöhnlich so einen Tag zur Zusammenkunft, an dem der Vater nicht zu Hause ist. Abends um 4 Uhr geht man von der Kunkel nach Haus. Wer später, bei Dämmerung heimgeht, dem wird die Laterne zum Heimzünden angetragen. Sitzen Mutter und Kinder [433] in der Stube und es schlägt die Uhr, so beten sie laut: »Herr, gib uns eine glückselige Stunde zum Leben und Sterben, Vater unser, und Ehre sei dem Vater etc.« Oft wird auch noch ein Vaterunser für die abgestorbenen Seelen beigefügt.
Im Oberland gehen die Mädchen hauptsächlich des Nachts zur Hochstube. Es kommen dann die Bursche zum Vorsitzen und Anknüpfen. Diese zahlen Bier 1.
Fußnoten
1 »Achtens, gestalten dann alle und jede Bedingungen, Verheißungen, Beynuzungen, Schenkungen vnd Verehrungen, oder wie dergleichen schädliche Mißbrauch Namen haben mögen, als insonderheit groß oder klein Vieh zu ziehen oder zu halten; Lein, Frucht oder anders zu säen, gewiß Eßen vnd Trinken vnd Arbeit, besondere Ruh und Feyertäg vor oder nach Antretung deß Ziels, auch Nach-Kirchweyhen, Hammeltäg, Erndt, Schnitt, Bettel Täg, Tänz, Mißbräuch derKunkelhäuser oder Rockenstuben (welche neben dem Nächtlichen Gaßenlauffen und Zusammenschlupffen nichts Gutes mit sich bringen) und dergleichen allerdings abgestellt vnd verboten seyen oder beede, sowol der solche bewilligt, als annimbt mit obgedachter Gelt-Straf der zehen oder zwölff Reichsthaler oder bei erscheinendem Unvermögen, mit der thurn-Straff ...... angesehen werden sollen.« Herzogl. Befehl, 15. Mai 1652. Reyscher XIII. 118.