394. Schidwecken.

Seit mehr denn 300 Jahren bildete in Reutlingen die »Spitzenklöppelei« einen ausgedehnten Erwerbszweig. Die betreffende Klasse Arbeiter und Arbeiterinnen kommen den [436] Winter über bald in diesem, bald in jenem Hause zusammen, um die Arbeit kurzweiliger zu machen. Solche Zusammenkünfte finden im Winter täglich statt und heißen »Karz«. Da man oft bis in die späte Nacht hinein arbeitete, so wollte man sich beim Aufhören dieser Kärze auch noch gütlich tun und hielt je am lezten Mittwoch des Februar einen besondern Abschidskarz, an welchem das Nachtarbeiten geschlossen und die Teilnehmer mit Wein und Wecken traktirt wurden. Im lezten Jahrhundert wurden die Wecken in Pasteten (Kuchen von Butterteig, innen mit Kalbfleisch gefüllt) verwandelt. Noch heute besteht dieser Gebrauch, und es findet sich in ganz Reutlingen unter der arbeitenden Klasse keine Familie, welche an diesem Tage nicht Pasteten backt und den Schidweckabend zu einem Festabend macht. Wer kein Geld hat, gibt eher ein notwendiges Stück aus seiner Haushaltung in's Leihhaus, als daß er am Schidweck zurückbliebe.

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TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. Märchen und Sagen. Sitten und Gebräuche. Sitten und Gebräuche. 5.. 394. Schidwecken. 394. Schidwecken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-0B89-3