1287. An Johanna Keßler

1287. An Johanna Keßler


Mechtshausen 18. Dec. 1900.


Liebste Tante!

Ihre angenehmen Zeilen erwischten mich in Hattorf, wo ich neulich auf vierzehn Tage zu Besuch war. Es war ganz gemüthlich dort. Nur im Garten vor und neben dem Haus sah es recht wüst aus. Alles wurde tief ausgegraben, die Erde mit Dünger, Kalk, Thomasschlacke und Kainit vermischt und dann wieder schlicht gemacht. Im nächsten Frühling kommen Rosen, Spalierbäume und ein neuer Rasen darauf.

Hier in Mechtshausen haben wir inzwischen eine kleine Anneliese gekriegt; ein niedliches Ding mit dunklen Augen, das sich noch um die weiteren Weltverhältniße nicht im mindesten kümmert. Ist ihm die übliche Verpflegung zu theil geworden, so dämmert es in seliger Beschränktheit so still für sich hin, oder schlummert, bis die berechtigten Wünsche auf's neue sich regen.

[170] Der Winter steht noch immer schüchtern vor der Thür und wagt nicht einzutreten. Über lauter grüne Felder weg seh ich nach den sanft verschleierten Bergen.

Leben Sie wohl, liebste Tante! Fröhliche Festtage und ein gutes neues Jahr im neuen Jahrhundert!

Mit herzlichen Grüßen an Sie und die Ihrigen

Ihr alter

Onkel Wilhelm.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. 1287. An Johanna Keßler. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-115C-5