1520. An Johannes Trojan
1520. An Johannes Trojan
Mechtshausen 12. Dec. 1905.
Lieber Trojan!
Wir leben hier friedlich so hin. Das Brummen und Kreischen der Weltmaschine dringt kaum noch herüber zu uns.
Im Haus hör ich fröhliche Kinderstimmen. Draußen krähen die Hähne, trompeten die Enten, schilken die Spatzen. Aber die Gartensänger, fast alle, sind weggezogen. Nur der Zaunkönig, ob's Winter oder Sommer ist, ob er ein Liebchen hat oder nicht, singt hell seine Strophe her. Auch eine Amsel blieb da, ein schwarzer, schweigsamer Witwer. Ruckweis, den Schwanz rischauf, läuft sie am Boden hin, in's Gebüsch, stochert im Laub, findet leckere Würmer, und am wilden Wein sitzen trockene Beeren für sie. Kommt sie später in Noth, dann soll sie Korinthen haben. Und nächstens, wenn's schneit, wird am alten Birnbaum vor meinem Fenster eine Ampel schweben, gefüllt mit der schönsten Pastete von Talg und Körnern, theils dicken, theils dünnen, für die flinken, anmuthig betriebsamen Meisen.
Die Pflanzen schlummern zumeist; doch welche sind munter. Viel tausend Haselnußkätzchen erwarten das Erscheinen ihrer rosigen Weibchen. Die Schneeglöckchen, ohne Furcht vor der grimmigsten Kälte, spitzen fleißig nach oben. Sie müßen sich tummeln, daß sie fertig sind, eh das Gesträuch überher Blätter kriegt und ihnen die Sonne benimmt.
Inzwischen lang ist der Abend jetzunder. Da kann ich gemüthlich Ihr Büchlein lesen.
Leben Sie wohl. Freundliche Grüße von der Nichte und dem Neffen und
Ihrem alten
Wilhelm Busch.