15. Muschetier, Grenadier und Pumpedier.

Ein König hatte drei Töchter, die machten zu ihrer Lust einen Gang in den Wald und setzten sich unter die Blumen in das Gras und strickten. Da kamen des Weges her drei Riesen. Als die die schönen Königstöchter sahen, liefen sie herbei, hoben sie auf ihre Arme und schleppten sie tief in den Wald hinein, bis sie zu einer Höhle kamen. In die Höhle konnte man aber nur durch ein Seil gelangen; an dem ließen sich die Riesen mit ihren Prinzessinnen tief in die Erde hinab. Zuerst kamen sie in einen großen Saal; da hing an der Wand ein gewaltig langes Schwert und auf dem Tische stand eine Flasche Wein und lag ein Brief dabei. Hinter dem Saale waren aber noch drei andere Zimmer, für jeden Riesen eins; da hinein brachten sie die Königstöchter und sagten: Hier wollen wir zusammen wohnen. Und der erste Riese schenkte der ersten Königstochter eine goldene Sonne, der zweite Riese schenkte der zweiten Königstochter einen goldenen Mond, der dritte Riese gab der dritten Königstochter einen goldenen Stern. Aber die Prinzessinnen [30] mochten die häßlichen Riesen doch nicht leiden; sie wären viel lieber wieder zu Hause an des Königs Hofe gewesen; darum saßen sie und weinten den ganzen Tag.

Als es nun Abend wurde und die Königstöchter noch immer nicht zurückkamen, sandte der König seine Diener aus, daß sie im Walde nach ihnen suchen möchten. Sie fanden aber nur die drei Strickzeuge, welche die Prinzessinnen zurückgelassen hatten; und als sie nun auch die Spur der Riesen im Grase sahen, sprangen sie eilig aus dem Walde. Der König, als er die Kunde vernommen und die drei Wahrzeichen erblickte, fiel in große Traurigkeit, legte Trauerkleider an mit seinem ganzen Hofe und gab Befehl, daß man die ganze Stadt mit schwarzem Flor überziehen sollte. Nachdem ließ er ausschreiben und bekannt machen in seiner Stadt und seinem Reiche, daß dem viel Geld und großer Lohn verheißen sei, der es wagen und ausführen würde, die Königstöchter aus der Gewalt der Riesen zu befreien.

Da traten dreie aus des Königs Heer, die nannten sich Muschetier, Grenadier und Pumpedier, und wollten Hals und Leben wagen, daß sie die Königstöchter befreien und den Lohn erlangen möchten. Sie schnürten ihre Bündel und zogen in den Wald hinein. Acht Tage waren sie schon herumgewandert; das Reisebrod ging zu Ende und Grenadier und Pumpedier meinten, es sei besser umzukehren als in dem Walde zu verhungern oder gar den schrecklichen Riesen in die Hände zu fallen. Aber Muschetier sprach ihnen Muth ein; daß es schimpflich sei, auf halbem Wege umzukehren, daß sie doch nur wenig zu verlieren, aber recht viel zu gewinnen hätten, und daß, wenn sie umkehren wollten, er allein sein Glück versuchen wolle. Da gingen sie mit. Es währte nicht lange, so kamen sie vor ein Schloß, das war ganz todt und menschenleer, die Küche jedoch mit allen Vorräthen wohl versehen. Das freute die drei Gesellen, die nun schon so lange nur Trockenes gegessen, daß sie endlich einmal wieder warme Löffelkost kriegen sollten. Sie kamen überein, daß zwei von ihnen auf die Jagd gehen sollten, während der dritte das Essen koche; darum zogen sie die Loose und kam die Reihe zuerst an Pumpedier. Der zündete bald ein Feuer an, hängte einen Topf darüber und that Erbsen und Speck hinein, denn das war der drei Gesellen Leibgericht. Muschetier und Grenadier gingen derweilen auf die Jagd. Als nun Pumpedier das Erbsengericht bereitet hatte, die beiden Gesellen aber immer noch nicht zurück waren, setzte er sich allein zu Tische, weil er großen Hunger hatte. Da trat zur Thür herein ein greises Männchen, das trug in der Hand einen eisernen Stock und sprach den Gesellen an: »Guten Tag, mein Herr!« »Schön Dank, mein Herr!«

»Ich meint, ich wäre hier ganz allein.
Es freut mich, daß hier auch Leute sein.
Denn ich muß mich von diesem Schloß nähren.«

[31] Danach bat das Männchen den Gesellen um etwas Essen. Als er ihm ein Brod gab, ließ es wie aus Versehen ein Stück davon auf die Erde fallen; der Gesell bückte sich, es wieder aufzunehmen; aber in demselben Augenblicke saß auch das Männchen ihm auf dem Rücken und schlug ihn so heftig mit seinem eisernen Stabe in den Nacken, daß er die Besinnung verlor. Danach verschwand das Männchen. Pumpedier war noch nicht lange wieder zu sich selbst gekommen, als Muschetier und Grenadier von der Jagd zurückkehrten; er erzählte ihnen aber nicht, wie es ihm ergangen war.

Den zweiten Tag kam an Grenadier die Reihe, das Haus zu hüthen. Er kochte auch Erbsen und Speck; als er sich aber eben zu Tisch gesetzt hatte, trat wieder das Männchen herein, sprach seinen Gruß, bat um ein wenig Essen, ließ das Brod auf den Boden fallen, und als der Geselle sich eilig danach bückte, sprang es ihm auf den Rücken und schlug ihn mit seinem Eisenstab so lange, bis ihm die Besinnung ausging. Als er wieder zu sich selbst kam, kehrten die beiden anderen gerade von der Jagd zurück und fragten, wie's ihm gegangen sei. »O, ganz gut,« sagte er, denn von den Schlägen wollte er nicht gerne erzählen.

Den dritten Tag mußte Muschetier den Haushalt versehen. Auch er kriegte Erbsen und Speck zu Feuer, denn das mochten die drei am liebsten essen. Als das Gericht nun fertig war, gedachte er, daß die andern zwei noch lange außen bleiben könnten, nahm sein Theil vorweg und stellte das Übrige in die Kohlen, daß es warm bliebe. Da trat plötzlich durch die Thür herein das graue Männchen mit dem eisernen Stabe. »Guten Tag, mein Herr.« – »Schön Dank, mein Herr!«

»Ich meint, ich wäre hier ganz allein.
Es freut mich, daß hier auch Leute sein.
Denn ich muß mich von diesem Schloß nähren.«

Darauf bat es um eine kleine Gabe. »Da hast Du Brod,« sprach Muschetier und gab ihm ein gutes Stück; aber das Männchen versah's mit Absicht, so daß das Brod auf die Erde fiel. »Wie? was?« sagte Muschetier, »wirfst du Gottes Gabe auf die Erde?« sprang eilig herzu, riß dem Männchen den Eisenstab aus der Hand und prügelte es damit so tüchtig durch, daß es erbärmlich quickend durch die Thüre entsprang. Nun setzte er sich mit Ruhe zum Essen nieder. Bald kamen auch die beiden andern von der Jagd zurück; da wies ihnen Muschetier den eisernen Stock und sagte: »Kennt ihr den? Mich dünkt, daß es euch hier nicht zum Besten ergangen ist.« Da mußten die zwei alles bekennen. »Wir haben uns hier nun lange genug verweilt,« sprach Muschetier darauf; »es wird Zeit, weiter zu ziehen, daß wir womöglich die Riesen bekämpfen und des Königs Dank und Lohn empfangen mögen.« Ob nun gleich Grenadier und Pumpedier gern noch länger in dem Schlosse verblieben wären, so mochten sie doch allein das Wagstück nicht [32] bestehen, entsagten darum der warmen Löffelkost, füllten die Ranzen wieder mit trockener Ware und zogen weiter in den dichten Wald hinein.

Acht Tage mußten sie wandern, da kamen sie endlich an das Felsloch, welches in die unterirdische Höhle der Riesen führte. Weil nun Grenadier und Pumpedier gänzlich der Muth entsank, so daß sie lieber umkehren, als Hals und Leben wagen wollten, so unternahm es Muschetier allein, in das dunkle Loch hinabzusteigen. Es ging nur ein Seil hinunter, daran ließ er sich hinab, nachdem ihm seine Gefährten hatten schwören müssen, daß sie ihn wieder aufziehen wollten, wenn er unten das Zeichen geben würde. Zuerst kam er in den großen Saal; an der Wand hing das Schwert, auf dem Tische stand die Flasche mit Wein und daneben lag der Brief; darin stand geschrieben:

»Wer von dem Weine dreimal trinkt, der kann das Schwert bewegen wie er will.«

Als Muschetier das gelesen hatte, trank er den Wein, holte das Schwert von der Wand und öffnete leise die Thür, die in das Gemach des ersten Riesen mit der goldenen Sonne ging. Es war gerade in der Mittagszeit, und der Riese, vom Essen müde geworden, hatte seinen Kopf in der Prinzessin Schooß gelegt und ließ sich von ihr lausen, wie er das immer nach dem Essen zu thun pflegte. Durch das behagliche Krauen war er aber fest eingeschlafen, so daß er tüchtig schnarchte. Wie das Muschetier bemerkte, gab er der Königstochter ein Zeichen, den Kopf des Riesen leise niederzulegen, holte weit aus mit dem Schwerte und – klatsch! – mit einem Hiebe flog der Kopf vom Rumpfe, daß er weithin auf den Boden rollte; aus dem Halse sprang ein schwarzer dicker Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig mit Händen und Füßen, dann war er still und todt. Mit dem wären wir also fertig!

Nun ging Muschetier in das Zimmer des zweiten Riesen mit dem goldenen Monde, der war auch eingeschlafen, hatte seinen Kopf in den Schooß der Königstochter gelegt und ließ sich von ihr lausen. Wie das Muschetier bemerkte, gab er ihr ein Zeichen, den Kopf des Riesen leise niederzulegen, holte weit aus mit dem Schwerte und – klapp! – mit einem Hiebe flog der Kopf vom Rumpfe, daß er weit hin auf den Boden kollerte; aus dem Halse schoß ein schwarzer Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig mit Händen und Füßen, dann war er todt.

Nun ging Muschetier in das Zimmer des dritten Riesen mit dem goldenen Stern, der war auch eingeschlafen, hatte seinen dicken Kopf in den Schooß der Prinzessin gelegt und ließ sich von ihr lausen, wie er das immer zu thun pflegte, wenn er was gegessen hatte. Wie das Muschetier bemerkte, so gab er der Königstochter ein Zeichen, den Kopf des Riesen leise niederzulegen, dann holte er weit aus mit seinem Schwerte; weil es nun oben schon stumpf geworden war, so wollte der Kopf erst gar nicht ab; der Riese schrie und spalkerte schrecklich, aber mit dem dritten Hiebe flog der Kopf vom Rumpfe, [33] daß er weithin auf den Boden kollerte; aus dem Halse schoß ein schwarzer Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig, dann war er todt.

Da dankten die Königtöchter dem Muschetier vielmal für ihre Erlösung. Der brachte sie an den Ausgang der Höhle, gab den beiden Gefährten das Zeichen zum Aufziehen, und so wurden die Prinzessinnen nacheinander glücklich in die Höhe gezogen. Zuletzt hing sich Muschetier selbst an den Strick; da schnitten aber die treulosen Gesellen das Seil entzwei, weil sie ihre Zaghaftigkeit nicht wollten kund werden lassen, nahmen den drei Königstöchtern den Eid des Schweigens ab, zogen mit ihnen an den Königshof, machten da viel Geschrei von ihren Heldentaten und nahmen Lohn und Ehre und Dank des Königs für sich allein.

Nun hört, wie's Muschetier erging! Er war traurig in der Riesenhöhle zurückgeblieben, fand keinen Ausweg, wie er auch suchen mochte und meinte schon, das Tageslicht nie wieder zu sehen, als plötzlich das greise Männchen aus dem verwünschten Schlosse vor ihm stand, das aber schnell entfliehen wollte, als es seiner ansichtig wurde. »Halt!« rief Muschetier, »bist du hereingekommen, so weißt du auch, wie man hier wieder herauskommt; zeige mir gleich einen Ausgang aus dieser Höhle, oder ich prügele dich noch einmal mit deinem eigenen Stocke.« Da wurde das Männchen ganz demüthig, denn Muschetier hatte den eisernen Stock noch bei sich, den er aus dem verwünschten Schlosse mitgebracht hatte. Das Männchen führte ihn vor einen großen Spiegel und ließ ihn da hinein sehen. Da wurde er zu einer Ameise, nahm die goldene Sonne, den goldenen Mond und den goldenen Stern, welche die Königstöchter vergessen hatten, in seinen Ranzen und kletterte an der Wand hinauf. Als er oben war, bekam er seine vorige Gestalt wieder, schritt rüstig weiter und kam nach acht Tagen aus dem Walde und in die Stadt des Königs. Da sprach er in der Bude eines Goldschmieds vor, den fragte er, ob er keinen Gesellen gebrauchen könne. »O ja!« sprach der Meister, »wenn du fleißig sein willst und eine goldene Sonne, einen goldenen Mond und einen goldenen Stern zu schmieden verstehst, so kommst du mir schon recht, Gesell! Denn die drei Dinge hat der König gestern bei mir bestellt und sagte, seine Tochter plagten ihn und ließen ihm keine Ruhe den ganzen Tag, weil sie durchaus eine goldene Sonne, einen goldenen Mond und einen goldenen Stern haben wollten. Nun bin ich in Verlegenheit, weil das Ding Eile hat, ich dergleichen aber nie gemacht habe, auch wohl nie zu Stande bringen werde.« »Seid ohne Sorgen, Meister«, sprach Muschetier; »darauf verstehe ich mich, denn das ist gerade mein Fach«; und verdingte sich also bei dem Goldschmiede. Am andern Tage ging er die Arbeit anzugreifen, in die Werkstätte, schloß aber die Thür hinter sich zu, »denn,« sprach er, »beim Arbeiten muß ich ungestört sein, das ist so meine Art«. Es währte nicht gar zu lange, so trat er wieder hervor, trug die goldene Sonne, den goldenen [34] Mond und den goldenen Stern in seinen Händen, sie dem Meister zu zeigen, der den Gesellen ob seiner Kunst höchlich loben mußte. »Nun will ich auch selber damit zum Könige, daß ich sehe, ob er noch etwas daran zu ändern habe«, sprach Muschetier, zog sich sauber an und ging auf des Königs Schloß. Als er nun vor den König gelassen wurde, so waren des Königs drei Töchter auch da, denen überreichte er die goldene Sonne, den goldenen Mond und den goldenen Stern, und als sie die drei Dinge und den Mann, der sie brachte, genauer ansahen, erkannten sie ihn, waren voller Freuden und sprachen zu ihrem Vater, dem Könige: »Lieber Vater, wir können nun und nimmermehr verschweigen, daß dies der Mann ist, der uns aus der Gefangenschaft der Riesen erlöst hat; die andern zwei aber haben mit Unrecht Dank und Lohn dafür genommen.« Da ließ der König Grenadier und Pumpedier vor sich fordern, schalt sie tüchtig aus und befahl, ihnen ihr Geld wieder abzunehmen und sie darnach in den festen Thurm zu werfen. Muschetier aber wurde ein angesehener Herr an des Königs Hofe und hundert Jahre alt. (Das ist aber in alten Zeiten gewesen, wo die Jahre noch kürzer waren als jetzt.)

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Märchen und Sagen. Ut ôler welt. 1. Volksmärchen. 15. Muschetier, Grenadier und Pumpedier. 15. Muschetier, Grenadier und Pumpedier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1661-6