34. Der verwunschene Prinz.

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur eine einzige Tochter. Nun begab es sich aber, daß die Frau krank wurde, und weil [84] es von Tage zu Tage schlimmer mit ihr ward und sie endlich fühlte, daß ihre Sterbestunde gekommen war, rief sie ihr Kind zu sich ans Bett und gab ihm einen Ring von ihrem Finger und sprach: »Den trage zu meinem Andenken und heb ihn wohl auf.« Darnach legte sie sich und starb; und noch war kein Jahr seitdem vergangen, da nahm sich der Mann eine andere Frau. Sie war aber gar nicht gut gegen das Kind; das Mädchen durfte nie mit in die Stube kommen, sondern mußte immer auf der Diele beim Heerde sitzen, und als einmal die Stiefmutter den schönen goldenen Ring an ihrem Finger sah, fing sie an zu schelten und bedrohte das Mädchen. »Ich sollte dir den theuren Ring eigentlich wegnehmen«, sagte sie; »aber das sage ich dir, verlierst du ihn, so prügele ich dich, daß du schwarz wirst.« Nun mußte das arme Mädchen alle Tage Wasser schleppen, und als sie auch einmal wieder die Brunnenstange anfaßte, um den schweren Eimer in die Höhe zu ziehen, glitt ihr der Ring vom Finger und fiel in den tiefen Brunnen hinein. Darüber fing sie bitterlich zu weinen an. Mit dem, so kam ein Laubfröschlein im Grase dahergehüpft, fing an zu sprechen und fragte: »Was fehlt dir denn, du wackres Mädchen, daß du so bitterlich weinen thust? Das sage mir, so will ich sehen, ob ich dir helfen kann.« »Ach Fröschlein!« sprach das Mädchen, »du kannst mir doch nicht helfen. Ich habe meiner Mutter ihren goldenen Ring in den Brunnen fallen lassen, und wenn das meine Stiefmutter erfährt, so werde ich gewiß Schläge kriegen.« »Sei nur still und laß dein Weinen sein,« sprach das Fröschlein; »wenn ich diese Nacht bei dir in deinem Bettlein schlafen soll, so will ich dir den Ring wohl wieder holen.« »Ach ja liebes Fröschlein,« sprach das Mädchen, »ich will ja gerne alles thun was du verlangst, wenn ich nur mein goldenes Ringlein wieder kriege!« Sprach das Fröschlein: »So setze mich in den Wassereimer und laß mich in den Brunnen hinab, daß ich dir dein goldenes Ringlein wieder hole.« Da setzte das Mädchen den Laubfrosch in den Eimer und ließ ihn in den Brunnen hinab, da tauchte er unter und kam bald wieder angeschwommen mit dem Ringlein in seinem Maule. Das Mädchen zog ihn wieder herauf, nahm den Ring steckt' ihn voller Freuden an ihren Finger und ging ins Haus und dachte nicht mehr an das Laubfröschlein und was es ihm hatte versprechen müssen. Des Abends aber, da das Mädchen wieder wie immer auf der Hausflur beim Heerde saß und spann, klopfte mit einmal was an die Seitenthüre und rief: »Wackres Mädchen, wackres Mädchen! was du versprochen hast, mußt du auch halten; setze mich in dein Haus.« Das Mädchen machte die Thüre auf und erschrack ordentlich, denn davor saß das Laubfröschlein. Erst wollte das Mädchen die Thüre wieder zuschlagen; weil es aber an sein Versprechen dachte, und daß ihm der Frosch wieder zu seinem Ringe verholfen hatte, setzte es ihn in ihr Haus herein. Der Frosch hüpfte nun mit an den Heerd und sah zu wie das Mädchen spann. Nachdem, da es Zeit war, schlafen zu [85] gehn, ging das Mädchen in ihre Kammer, zog die Thür hinter sich zu und ließ das Fröschlein draußen sitzen. Da klopfte es an die Kammerthür und rief: »Wackres Mädchen, wackres Mädchen! Was du versprochen hast, mußt du auch halten! Setz' mich in deine Kammer.« Das Mädchen hätte lieber das Fröschlein draußen gelassen, aber es dachte daran, was es ihm am Brunnen versprochen hatte, nahm es und setzte es in seine Kammer. Nun zog das Mädchen sein Nachtzeug an, löschte das Licht und legte sich zu Bett und meinte, das Fröschlein würde nun wohl zufrieden sein. Aber nein! es wollte auch bei dem Mädchen im Bette schlafen und rief: »Wackres Mädchen, wackres Mädchen! Was du versprochen hast, mußt du auch halten! Setz' mich in dein Bett.« Da nahm das Mädchen das Fröschlein auch noch zu sich ins Bett und sprach: »So! Nun sei aber auch hübsch still, sonst muß ich dich wieder hinaussetzen.« Bald darnach, weil das Fröschlein ganz stille war, schlief das Mädchen ein. Den andern Morgen aber, als es aufwachte und sich nach dem Fröschlein umsah, war kein Fröschlein mehr da, sondern lag da ein wunderhübscher junger Prinz im Bette, der lachte das Mädchen freundlich an, küßte es und sprach: »Ich danke dir, daß du mich erlöst hast. Mein Großvater hatte mich in einen Laubfrosch verwünscht, und nicht eher konnte ich wieder eine menschliche Gestalt annehmen, bis mich ein Mädchen freiwillig mit in sein Bett nahm.«

Noch denselben Tag zog nun der Prinz mit dem Mädchen fort in sein Königreich und nahm sie zu seiner Frau und sie hatte es gut bei ihm bis an ihr Ende.

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Märchen und Sagen. Ut ôler welt. 1. Volksmärchen. 34. Der verwunschene Prinz. 34. Der verwunschene Prinz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1C0C-1