624. An Marie Hesse
624. An Marie Hesse
Wiedensahl 3 Nov. 84.
Liebe Frau Heße!
Es freut mich von Herzen, daß Sie sich so gesund und heiter fühlen. Meinen Dank für die Photographie. Sie gefällt mir gut, obschon das kurze Haar etwas Befremdliches hat. Wenn ich die »grauen« auch nicht beneidenswerth finde, so denke ich doch recht gelinde darüber, seit ich selber so viele davon habe; d.h. viele im Verhältniß zu dem höchst mäßigen Gesammtbesitz, den Bart außer Rechnung gelaßen. Mutter Natur, welche dem Individuum zu seiner Ausstattung erst allerlei vorschießt, hält sich eben für verpflichtet, es für die gemeinsamen Fonds, woraus es geliehen, wieder zu reclamiren, wenn es, ihrer Meinung nach, lange genug her ist. So muß ich denn auch durch den Zwicker lesen; z.B. die Wahlberichte, wonach es scheint, daß der Leute, welche wenig haben, zum Schrecken der Leute, welche mehr besitzen, mehr als zu viel werden.
Der Neffe Hermann ist nun in unserer Nähe, in Loccum, anderthalb Stunden von hier. Er kommt so alle Woche mal herüber, bei trocknem Wetter per Velociped; ich hinüber per Stock und Stiefel. Adolfen denk ich nächster Tags mal in Göttingen zu besuchen und von da nach dem Dorf Ebergötzen, wo ich einige Kinderjahre verlebt, hinüber zu kutschiren, um die alte Klappermühle und meinen lieben alten Freund den Müller mal wieder zu sehn. – Neffe Otto in Bückeburg sowohl wie Adolf und Hermann tragen mir bei jeder Gelegenheit Grüße an Sie und die Ihrigen auf. –
Leben Sie recht wohl, liebe Frau Heße, und sein Sie überzeugt, daß ich stets bin und bleibe
Ihr ergebenster Freund
Wilh. Busch.