95. Der Altar zu Gerolstein.
(S. Schneider, das Kyllthal. S. 46.)
Auf dem Plateau, wo heute die Trümmer des Bergschlosses Gerolstein im Kyllthale zu sehen sind, erblickt man einen schön gearbeiteten steinernen Altar, die Abnahme Christi vom Kreuze darstellend. Dorthin ward stets von den Bewohnern der Umgegend gewallfahrt. Einst zogen die Bewohner des am Fuße des Schloßberges gelegenen gleichnamigen Fleckens in feierlicher Prozession, wie dies alljährlich zu geschehen pflegte, den Burgweg hinauf nach dem Kreuzaltar, um dort in altherkömmlicher Weise ihre Andacht zu verrichten. Bereits lag die versammelte Menge in frommem Gebete auf den Knieen, um von dem Priester den Segen zu empfangen, und feierliche Stille herrschte in der Versammlung, als der gebietende Graf, welcher dem lutherischen Glauben zugethan war, aus dem Schlosse hinzutrat und in übermüthiger Weise der Religionsübungen seiner Unterthanen spottete. Neben ihm stand die Wärterin mit seinem Söhnchen auf dem Arme, das sich während des Gottesdienstes in auffallender Weise unruhig geberdete, als wenn es zu der betenden Menge hinwolle. Der Graf, welcher es bemerkte, hieß die Wärterin das Kind niedersetzen und – o Wunder! – kaum berührte das Gräflein mit den Füßen den Boden, als es in voller Eile und Hast – ein Wochenkind – dem Altare zulief, sich vor dem Priester auf die Knie niederwarf und mit hochgefalteten Händchen um seinen Segen zu bitten schien. Der Graf und seine Gemahlin aber wurden augenblicklich anderen Sinnes und kehrten zum katholischen Glauben zurück.