778) Der Teufel als Onkel. 1

Ein Bote, der zwischen Schwerte und Hamm ging, gab einst vor mehr als dreihundert Jahren all sein Geld einem Wirthe in Verwahrung. Dieser aber nahm es weg, legte dem Boten an Zinnenzeug so viel in den Sack als das Geld gewogen hatte und klagte ihn noch dazu des Diebstahls an dem Zinne an. Der Bote wurde darauf zum Tode verurtheilt. Als er nun am Tage vor der Hinrichtung in seinem Gefängnisse saß, klopfte der Böse an und versprach ihn zu befreien, wenn er sich ihm verschreiben wolle; aber der Bote wollte lieber unschuldig sterben als das thun. Da sprach der Teufel: »Ich sehe, daß Du ein ehrlicher Gesell bist und ich will Dich befreien, auch ohne daß Du Dich mir zu eigen geben sollst, bekomme ich doch den andern!« Er sagte ihm auch, wie er ihm helfen wolle und belehrte ihn, was er zu thun habe.

Am andern Tage wurde der Bote zum Galgen geführt; er stand schon mitten auf der Leiter, da drehte er sich um und sah von weitem einen Reiter in einem scharlachrothen Mantel ankommen. »Mein Onkel kommt da«, sagte der Bote, wie ihm vorgeschrieben war, »lasset mich ein Paar Worte mit ihm sprechen!« Dies wurde ihm erlaubt und er sprach leise mit dem rothen Reiter, welcher jedoch nicht sein Onkel, sondern der Teufel war. [729] Auf einmal rief dieser laut: »Mein Vetter ist unschuldig und der Wirth hat meinen Vetter bestohlen!« Der Wirth aber schrie: »Das sind Lügen, der Bote hat mich bestohlen!« Da trat der Satan vor ihn hin, fragend: »Soll Dich der Teufel holen, wenn Du lügst?« Und als er keck mit Ja antwortete, nahm ihn der Rothmantel flugs beim Kragen und nahm ihn mit sich davon durch die Lüfte. Da erkannten Alle, daß der Bote unschuldig war und er wurde freigesprochen, auch erhielt er sein Geld wieder, welches man noch im Hause des Wirthes fand.

Fußnoten

1 S. Stahl S. 122.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Westphalen. 778. Der Teufel als Onkel. 778. Der Teufel als Onkel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-3686-0