617) Die Steinkirche. 1

Im Fürstenthum Grubenhagen unweit Herzberg liegt das Dorf Scharzfeld. Ehedem war es eine rauhe felsige Gegend, steile Berge, auf deren Klippen die Götzenbilder des Krodo und der Ostera standen.

Einst kehrte ein frommer Klausner aus fremden Landen dort ein, um die Bewohner zum Glauben zu bekehren. Aber diese erkannten ihn nur als einen Lästerer ihrer Götter, wollten ihn umbringen und drangen mit tödtlichen Waffen auf ihn ein. Da erlosch plötzlich der flammende Osterbrand, düstere Nacht wurde es rings umher, nur das Haupt des Greises umleuchtete ein blasser Schimmer. Darüber erschrack die wilde Schaar, zog sich zurück und berieth mit ihrem Herzoge, was des Fremdlings Loos sein solle. Einstimmig sprachen sie, daß er sterben müsse. Wie sie ihn im feierlichen Zuge zum Richtplatz führten, nahm der Greis dem Nächsten eine hölzerne Streitaxt aus den Händen und sprach: »So gewiß ich mit diesem Holz in den harten Felsen spalten und daraus eine Kirche zur Anbetung des wahren Gottes schaffen werde, so wahr ist das Wort, das ich Euch verkündet.« Darauf hieb er mit der Axt nach dem Felsen, und siehe, der feste Stein löste sich wie weiche Erde. Da wurden die Bewohner ihres Irrwahns inne, fielen auf die Kniee vor dem Greise und gelobten, seinen Worten zu glauben. Dann führte der Greis sie an die Ocker hinab, weihete sie durch das Bad zu Gliedern seiner Kirche. Und immer mehr Gläubige sammelten sich aus allen Gegenden um ihn her, um die Lehren des frommen Bekehrers zu vernehmen.

Auf diese Art entstand an dem schroffen Felsenabhange das uralte Gewölbe der Steinkirche mit ihrer Kanzel und ihrem Weihkessel.

Fußnoten

1 S. Harrys Bd. II. S. 77.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Der Harz. 617. Die Steinkirche. 617. Die Steinkirche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-3D26-E