530) Der Blocksberg, das Blocksbergsgespenst und der Reinstein.
Der Brocken, in der gewöhnlichen Volkssprache der Blocksberg genannt, gehört zu den bedeutendsten der norddeutschen Berge und ist der höchste Gipfel des Harzes. Bekanntlich wird er Mons Bructerus oderBructerorum genannt, angeblich weil die alten Bructerer vor grauen Jahren in der Nähe des Brockens gewohnt haben sollen. Einige nennen ihn auch Mons Proculus, entweder von dem lateinischen Worte procul (fern), weil er von ferne einem in die Augen scheint und gesehen werden kann, oder vom Kaiser Proculus, von dem die Sage erzählt, er habe 100 Jungfrauen innerhalb 15 Tagen geschwängert, gleichwie der Teufel auch in der Walpurgisnacht Unzucht mit den Hexen zu treiben pflege. 1 Ein anderer Name ist noch Μελιβοκος oder Melibocus, welchen Einige von dem griechischen Worte μελι (Honig) und βοσκω (weiden, nähren) ableiten, also ein Ort, der viel Honig hüte oder einernte, wogegen wieder Andere behaupten, das Wort sei aus dem Deutschen entstanden und blos verdreht, nämlich aus Hellbock, d.h. der höllische Bock, bezüglich auf das Bocksreiten der Hexen oder auf die Bocksfüße des Teufels. Die deutschen Namen sind Prockelsberg, Prokelberg, [475] Brockenberg, Brockesberg, Blocksberg oder Brocken. Letzterer Name kommt jedoch zweifelsohne aus dem Lateinischen her. Eine andere Erklärung ist aber die, daß der Berg früher von viel bedeutenderer Größe gewesen und bis auf seine jetzige Höhe zusammengestürzt und zerbröckelt sei und davon den Namen Brocken erhalten habe. Der Namen Blocksberg soll von Block oder Klotz herkommen und soll deshalb dem Berge gegeben worden sein, weil unten am Fuße des Berges sehr alte Bäume von ungewöhnlicher Länge und Breite gefunden worden wären, die man nicht habe aus dem Walde fortbringen können. Daher sei es geschehen, daß sie immer allda verblieben wären, bis sie endlich verfaulten oder durch Ungewitter, Sturm und Donnerkeile zerschmettert worden und dort liegen geblieben seien.
Es ist zu bezweifeln, daß die am Fuße des Brockens liegenden, zum Theil wunderbar aufgeschichteten verschiedenen Felsmassen, als der Scharfenstein, der Ilsenstein, die Honeklippen, die Feuersteine, die Schnarcher, die Söseklippen oder das Sirsthor, die Achtermannshöhle, die Hopfensäcke u. dgl., die sämmtlich über zwei Stunden von der Spitze des Brockens entfernt sind, früher mit ihm zusammengehängt und ein Ganzes gebildet haben, denn dagegen sind die tiefen Thäler, welche diese von dem Hauptberge selbst trennen.
Der Brocken scheidet den Ober- von dem Unterharz; was von demselben im Westen liegt, heißt der Oberharz, und ist der höhere, größere und erzreichere Theil, was dagegen im Osten liegt, bildet an Fruchtbarkeit und Naturschönheit jenen übertreffend den Unterharz. Der Brocken selbst ist ein Urgebirge von mächtigen Granitlagern, unter 28° 17' 1'' östlicher Länge und 51° 48' 11'' nördlicher Breite und liegt in seinem Haupttheile in der Grafschaft Wernigerode, mit einem kleinen Theile seines südwestlichen Abhangs aber in dem hannöverschen Fürstenthum Grubenhagen und wird von den Harzstädten Wernigerode, Elbingerode, Hasselfelde, Benekenstein, Andreasberg, Altenau, Clausthal, Zellerfeld, Goslar und Neustadt-Harzburg umgeben. Sonst hat er eine ovale Fläche und besteht aus braunem, weiß- und blaugrauem Granit, von dem eine Unmasse zerbröckelt sowohl die Oberfläche des großen als des kleinen Brockens und der Heinrichshöhe bedeckt.
Daß von Venetianern und andern aus der Ferne und Nähe kommenden Kuxgängern in der Umgegend des Brockens, z.B. im Morgenbrodsthale, im Kux- und Ockerloche, am Rauschwasser, Quitschenhäu, im Schuppenthale, an der steilen Wand etc., wo verschiedene Figuren, wie Mönche, mit und ohne bergmännischen Instrumenten in den Händen, Ringe, Kreuze, chemische Zeichen, als:
Gold,
Silber, Hände, die nachweisen, wo Gold und andere feine Erze zu suchen u. dgl. m. eingehauen sind, Gold, Silber oder Edelsteine gefunden worden, ist sehr zu bezweifeln, ob es gleich ein Sprichwort giebt: »Man wirft am Brocken oft mit einem Steine nach einer Kuh, der mehr Werth hat als die Kuh selbst.«
Sehr sonderbar ist das Klima auf dem Brocken, namentlich die schnelle Veränderung der Temperatur und des Wetters. Es ist eigentlich dort immer mit wenigen Ausnahmen rauh und kalt, selbst im Juni, Juli und September ist daselbst schon Schnee gefallen. Auffallend schnell entstehen bei dem geringsten Wechsel des Windes daselbst Nebel, z.B. von West nach Südwest oder nach Nordwest; selbst wenn kein Wölkchen am ganzen Horizonte zu entdecken ist, bezieht sich die Brockenkuppe augenblicklich mit Nebel und dies ist [476] dann gewöhnlich ein Vorzeichen von bösem Wetter, weshalb von den Landleuten das Sprichwort gebraucht wird: Auf dem Brocken wird gebraut, oder: Der Brocken hat die Mütze auf. Der größte Feind des Brockens ist aber namentlich im Winter der Wind, namentlich der Südwest; unglaublich hohe Schneemassen und Eisstücke holt derselbe aus den Thälern und treibt sie in hohen langen Massen auf die Brockenfläche von einer Stelle zur andern, und zwar so schnell, daß da, wo am Abend eine große Schneebank lag, dieselbe am andern Morgen von dieser Stelle ganz verschwunden war und sich hundert bis zweihundert Schritte davon entfernt auf der entgegengesetzten Seite befand. Alle diese Naturphänomene mögen die Ursache sein, daß der alte Brocken so in Verruf gekommen ist und das gräßliche Brausen und Heulen des Sturmes, welcher alle nur mögliche Schauder erregende Töne hervorbringt, wird jedenfalls zu der Sage von dem angeblich dort in der Walpurgisnacht abgehaltenen Hexensabbath Anlaß gegeben haben.
Eine seltsame Erscheinung ist auf diesem Berge das sogenannte Brockengespenst, das man jedoch nicht etwa blos im Herbste und bei Sonnenuntergange, wie man behauptet hat, wahrnimmt, sondern in allen Jahreszeiten, sowohl beim Auf- als Untergange der Sonne. Dieses Phänomen ist nun aber folgendermaßen beschaffen. Wenn die Sonne bei ihrem Auf-oder Untergange mit dem Brocken in gleicher Höhe steht, sich dann auf entgegengesetzter Seite unten in den Thälern Nebel bilden, diese am Brocken in die Höhe steigen, der nebelfreie Brocken aber zwischen dem Nebel und der Sonne steht, so wirft die Sonne den Schatten des Brockens und aller auf ihm befindlichen Gegenstände an diese Nebelwand, an der sich nun riesenhafte Gestalten bilden, die bald sich verkleinern bald vergrößern, je nachdem sich der Nebel nähert, entfernt oder durch Aufrollen desselben in ihm Lücken entstehen. Ist der Nebel trocken, so sieht man außer seinem eigenen Schatten auch den seiner Nachbarn; ist er feucht, so sieht man nur den seinen mit einem regenbogenfarbigen Heiligenschein umgeben. Dieser Heiligenschein vergrößert und verschönert sich, wird strahlender, je nasser und dicker der Nebel ist und je näher derselbe kommt. Bei rauhem Nebel im Winter bietet diese Erscheinung einen andern Anblick; dann erhält der Schatten nicht den kreisförmigen regenbogenfarbigen Heiligenschein, sondern es gehen vom Haupte des Schattens drei gelbe, hellglänzende, scharfgezeichnete und weitstrahlende Scheine rechts und links vom Auge und senkrecht, ohngefähr so
und in hochgelber Farbe. Dieses Nebelbild oder Brockengespenst ist das schönste hier wahrgenommene Phänomen.
Was nun die Sage selbst anlangt, so soll, als der Kaiser Karl der Große 779 und 780 n. Chr. G. die Sachsen zur Annahme des Christenthums zwang, von diesen der Götzendienst auf dem Brocken gefeiert und in der Walpurgisnacht der Hertha, nach Andern dem Krodo, auf dem Hexenaltar geopfert worden sein, und als Kaiser Karl zur Vertreibung der Heiden Schildwachen aufstellen ließ, hätten die Heiden durch abenteuerliche Aufzüge jene von ihren Posten zu versprengen gesucht.
Man hat ein altes Gedicht von dem Brocken, welches also lautet:
In Thüringen ist sehr wohl bekannt
Ein Berg, der Prockelberg genannt,
Welcher Berg der jetzo berührt
Ueber sechzehn Meil gesehen wird,
[477]Also daß den fernen Jedermann
In Sachsen und Hessen anschauen kann,
Dieweil er hoch und übertrifft
Mit seiner Höh, wie ich bericht,
All Berg in Hartz und Thüringen,
Darüber er ganz hoch thut springen.
Vber das ist er auch beschreit,
Dieweil Nachts zu Walpurgis Zeit
In großer Zahl, wie ich bericht,
Die Zauberinn mit ihrem Gezücht
Ingemein einen Reichstag allda halten,
Die jungen sowohl als die alten,
Welche all der Teufel dahin führt
In geschwinder Eil, wie jetzt berührt,
Auf welchem sie mit Tanzen, Springen,
Mit Saufen auch die Zeit zubringen,
Mit bösen Geistern Unzucht treiben,
Wie solches oft die Gelehrten schreiben,
Wenn aber kommt der Hahnen Geschrei,
So fahren sie wieder heim ohne Scheu
Ueber hohe Berg und tiefe Thal,
Bis daß sie kommen allzumal
Ein jede Hexe an ihren Ort,
Wie man solches wohl mehr hat gehört.
Treiben also ohn' alle Scheu
Ihr Hexenwerk und Zauberey
Wider Gott und sein heiliges Wort,
Auch öftermals anstiften Mord,
Doch können sie, wie ich bericht,
Den frommen Leuten schaden nicht,
Um welche her die Engelschaar
Ein Wagenburg thut schlagen gar.
Ihr rechter Lohn und gewisses Pfand
Ist Feuer, Schwert und ewig Schand,
Ja wenn sie nicht thun Buß auf Erden,
Können sie auch nicht selig werden.
Das sey nun gnug von Zauberinn.
Auf daß wir aber unsern Sinn
Anwenden an den Prockelsberg,
Zu beschreiben gänzlich merk',
So ist auch überall allda
Derselbe Berg ein Practica
Der Landleut, welche oft ohn Irren
Gut Wetter daher practiciren,
Denn wenn ein starker Nebel trifft
Recht solchen Berg, wie ich bericht,
So fällt gewiß denselben Tag
Ein Regen, ist wahr als ich sag.
Wenn aber solcher Berg ganz frei
Ohne Nebel ist, ohne allen Scheu,
So folgt ein schöner heller Tag
Alsdann, darin ein Jeder mag
Mit Freuden an sein Arbeit gahn,
Auch wandern, reiten und alsdann
Noch weiter, daß für alle Zeit
Gott werde gedankt in Ewigkeit.
Wir wollen hier aus Curiosität die Beschreibung einer Brockenreise setzen, welche Johann Prätorius seinem Buche über den Brocken als Anhang vorgesetzt hat. Derselbe berichtet aber folgender Maßen:
Als man den 5. Juli Anno 1653 bei früher Tageszeit von Ballenstedt abgereiset, sind wir darauf, gleich gegen Mittag um 10 Uhr zu Blankenburg angelanget, von dannen wir uns alsofort und nach voreingenommener Mittagsmahlzeit nacher Reinstein hinauf (so nur 1/4 Meil Weges von Blankenburg) begeben und daselbst befunden, daß der Reinstein ein gar uralt und verwüstetes Haus oder Schloß ist, auf einem ziemlichen hohen Felsen gelegen und vordessen von denen nunmehr ganz verstorbenen Herren Grafen von Reinstein erbauet worden; ist ein seltzam Gebäude gewesen, in dem Alles, und fast alle Gemächer, darunter vornehmlich die Küche, Keller, die Kirche, Saal, Pferdeställe und dergleichen in den Stein ausgehauen ist, wie man denn, wenn man hineinkommt, anders nicht als lauter Stein um und neben sich sieht, und ist zu muthmaßen, daß solches Alles große Mühe und Arbeit gekostet hat. Es liegt sehr hoch und ist an einer Klippe des Berges gleichsam angeflickt und nunmehr Alles verwüstet, sieht auch anjetzo vielmehr einer Raubhöhle als einem gräflichen Schlosse ähnlich. Wann ein Rohr in denen aus dem Stein gehauenen Gemächern gelöst wird, so schallet und knallet es dergestalt, als wenn eine Kanone gelöst würde, maßen denn auch, wenn daselbst [478] nur in die Luft aus einem Rohr geschossen wird, es von verschiedenen Orten her einen starken Widerhall und gleichsam vielerlei Echo giebt. Unter andern ist allda ein Loch zu finden, so von allerlei kleinen Steinen (welche sonst in der Ebene und nicht auf den Bergen gefunden werden) ausgefüllt ist. Von demselben Ort nun wird als wahrhaftig berichtet, als wenn solches Loch von den bösen Geistern angefüllt wäre. Denn wenn man die Steine von dannen hinwegnimmt, so kommen doch hingegen wieder andere dahin, ja auch gar oftmals diejenigen, welche man hinweggenommen, daß also Niemand die Ursache dessen erfinden kann, sondern das Loch allezeit mit den Steinen angefüllt gefunden wird. Es werden auch allerhand Abenteuer erzählt, so sich bei solchem Loche sollen begeben haben mit denen, welche muthwillig oder freventlich etwas dabei vorzunehmen sich unterstanden. Als wir uns hernach von Reinstein wieder hinunter begaben und in Blankenburg das Mittagsmahl eingenommen, sind wir darauf selbigen Tages durch Wernigerode noch bis Ilsenburg gereiset. Da wir nun zu Ilsenburg (so dem Herrn Grafen zu Stolberg oder Wernigerode zuständig und fest unter dem Blankenberg liegt) selbigen Abend angelanget, haben wir Präparatoria gemacht, des darauf folgenden Morgens die Reise auf den hohen Blockesberg fortzusetzen. Den 6. Juli nun früh am Tage haben wir uns aufgemacht und nebenst dem Wegweiser um 2 Uhr früh die Reise angefangen, da mir denn reitend 15 Personen und 12 Pferde stark über unterschiedene Bäche, Brücken und durch dicke Büsche bei einem ziemlich hohen Felsen, Ilsenstein genannt, vorbei alles bergaufwärts fortpassiret und als wir in die zwei guten Stunden den Berg hinaufwärts in Morast, in Steinen, in ungebahntem Wege, dabei die Pferde manchen sauern, unsanften und gefährlichen Tritt thun müssen, geritten, haben wir, wegen des allzubösen Weges, nicht weiter zu Pferde fortkommen können, sondern alle von den Pferden absteigen und zu Fuß vollends gehen und gleichsam hinaufklettern müssen, da wir dann abermals zu Fuß gehend in die 2 gute Stunden zugebracht, ehe wir den höchsten Gipfel des Berges erreicht. Die ganze Zeit aber, im Hinaufreiten und im Hinaufgehen, haben wir stetig dunkel und thauigtes, näßliches Wetter gehabt, je höher wir aber auf den Berg gekommen, je dunkler, nässer und kälter Wetter und Luft wir empfinden müssen, bis endlich auf der Höhe, als wir dieselbe erreicht, wir eine solche kalte Luft gefunden, daß wir fast nicht dafür dauern können, ja von dem Reif und Frost wir alle ganz weiß, als wären wir beschneit, aussahen. Denn unversehens wurden wir mit Nebel und Wolken dergestalt umgeben, daß wir vor Dunkel und Finsterniß einander nicht sehen oder erkennen konnten, sondern einander zurufen mußten, ja die Wolken strichen bei uns und unsern Häuptern recht mit Brausen vorbei, daß man wie verdutzt davon wurde, geschweige der Nässe, so jedesmal von den Dünsten und vorbeistreichenden Wolken auf uns fiel, daß wir alle wie gebadet aussahen, bis endlich nach 6 Uhr und gegen 7 Uhr etwa sich etwas von unterwärts aufzuklären anfing, da denn, sobald es ein wenig hell wurde und die Sonne die weißen Dünste verzehrte und die Wolken abgetrieben, wir uns nach allen Orten umsehen konnten, daß einem das Gesicht darüber verging. Denn es anders nicht schien, als wenn wir vom Himmel herab die ganze Welt übersehen könnten, indem Alles, was wir sahen und wohin wir sahen, viel niedriger war als der Ort, da wir uns befanden, und konnte das Gesicht die Weite [479] um uns fast nicht begreifen. Ohne ist es nicht, daß auf solchem hohen Berge der großen Wunderwerke Gottes genug sein zu sehen und zu verspüren, indem man gleichsam in einem Augenblicke nicht allein so viel Länder, Fürstenthümer und Provinzen des heil. römischen Reichs und in Deutschland beschauen, sondern auch die Wirkung der Luft, die Durchstreichung der Wolken nicht ohne Verwunderung und Entsetzung allda sehen und empfinden kann, zu geschweigen, was für herrliche kräftige, kostbare und seltsame Kräuter und Wurzeln droben wachsen. Denn indem wir uns mit Beschauung der in dem Grunde herumliegenden Fürstenthümer, Länder und Orte am Besten ergötzten, kam unversehens brausend eine Wolke, mit Nebel und Dünsten vermenget, auf uns und überschüttete uns, daß wir, gleichsam in einem Augenblick, in eine Finsterniß geriethen und gar nichts sehen, ja einander selbst (ungeachtet, daß wir nahe dabei standen) nicht erkennen konnten, da wir denn allezeit aufs Neue benetzet, als wenn wir stark beregnet wurden. Sobald nun die Wolken von uns zu weichen und uns wiederum zu verlassen begonnen, sahen wir durch dieselben, sowohl unter uns nach dem Erdboden, als insonderheit über uns nach dem Himmel zu, gleich wie ein brennendes Feuer, so man durch den Rauch zu sehen pflegt, aus der Ursache, weil mittler Zeit, da wir mit den Wolken umgeben waren, es sowohl unten auf dem Erdreich, als vornehmlich oben gegen den Himmel ganz klar und helle von dem Sonnenschein war. So geschwind nun die Wolken vorbei waren, konnten wir uns abermals mit sonderbarer Lust und Ergötzung, soweit es das Gesicht erleiden konnte, allzuweit hin und wieder umsehen, bald aber kamen dieselben wiederum, wie zuvor, also daß es lauter Veränderung und Verwechselung der Luft gab, insonderheit aber kamen die Wolken bisweilen etwas zu kurz an uns an, daß sie uns nicht berührten, sondern etwas unterwärts an den Berg anstießen und also an demselben sich zertheilen mußten, da wir dann abermals unterwärts nach dem Erdboden Alles finster und dunkel, hinaufwärts aber gegen den Himmel zu Alles hell und klar sehen konnten und also die Wunderwerke Gottes daselbst wohl sichtbarlich seyn. Auf dem Berge oben waren gar keine Bäume, sondern Alles mit langem Gras, Kräutern und Wurzeln bewachsen, Alles sumpfig, morastig und voll Mooß, aber recht oben entspringt ein schöner klarer und gesunder Brunnquell, so gar einen guten Geschmack im Trinken hat. Unter andern ist eine Wurzel daselbst, so die Krebswurzel genannt wird, sieht einem Krebs an Farbe und Form sehr gleich, soll zu vielerlei Zufällen der Menschen dienlich und sehr köstlich sein. Dieser Ort und Gipfel des Berges ist ziemlich weit begriffen, aber gar nicht gäh oder steil herunter, sondern nur langsam abhängig, also daß man ganz ohne Gefahr oben herumgehen kann. Wenn ein Rohr oder Lauf abgelöset wird, so giebt es einen gar schlechten Knall und gar keinen Widerschall. Daß aber auf dem Gipfel des Berges gar keine Bäume wachsen, so wird solches der großen Kälte, die sich daselbst beständig befindet, beigemessen, da doch hingegen herunterwärts, etwa einen guten Musketenschuß von der obersten Höhe herunter wir allsofort Bäume in starker Anzahl von allerlei Art gefunden und sich dasselbe bis ganz hinunter auf die Ebene continuirt. Als wir nun also oben auf dem Berge beinahe anderthalb Stunden lang verharrt und uns umgesehen und der starken Kälte wegen fast nicht länger ausharren können, haben wir uns endlich allgemach wiederum hinunter zu Fuß begeben, so allbereits [480] um 8 Uhr Vormittags gewesen, da wir denn mit ziemlicher Mühe und Arbeit den ganzen unwegsamen und ungebahnten, ja meistentheils sehr morastigen und steinigen Weg bis die Hälfte des Berges hinunter, da die Pferde unser gewartet, absolvirt, daselbst uns auf die Pferde wiederum gesetzt und also vollends bis hinunter nach Ilsenburg geritten sind. In der Herabreise des Berges haben wir kaum zwei Stunden zugebracht und also gleich um 10 Uhr gegen Mittag unten angelangt, da wir denn nicht allein schönen hellen Sonnenschein, sondern vornehmlich eine starke Hitze unten vor uns gefunden und also dieselbe Luft der obersten auf dem Berge ganz unvergleichlich gewesen etc.
Die gewöhnlichste Version der Sage von dem Hexentanze auf dem Berge hier oben im Munde des Volks ist nun die, daß wenn der Monat April mit seinen Schneeschauern und letzten Resten des Winters vorüber ist, in der Nacht vom letzten April zum ersten Mai von allen Seiten und Richtungen die Hexen zum Blocksberge eilen. Da ist ein wildes Gedränge und weil es der Eile bedarf, so tragen die Füße sie nicht schnell genug, sie kommen also durch die Luft den Berg herangezogen, von oben, von unten, auf Ofengabeln, Streichbesen und Ziegenböcken, aus dem Walde und hinter dem Berge hervor. Wahrscheinlich führen sie die Ofengabeln, um das Feuer anzuschüren, die Streichbesen aber, um den Schnee wegzukehren, der am ersten Mai den Brocken noch bedeckt. Wie schwarze Wolken verdunkelt ihre Schaar noch mehr die dunkle Nacht. Die Luft selbst wird unruhig und jagt im Wirbelwinde das Gewölk von Berg zu Berg. Bald flackert aber ein lustiges Feuer hoch empor. Der Teufel besteigt dann seine Kanzel und predigt vor der glänzenden Versammlung der Hexen und Zauberer. Diese führen nun um ihn im wilden Rausche einen Reigen auf und schwingen hoch die flammenden Feuerbrände bis zur Ermattung. Während dem hat der Teufel ihnen auf dem Hexenaltar ein Mahl bereitet und aus dem Hexenbrunnen trinken sie. Wenn die Morgenröthe sich naht, so verschwindet wieder allmälig der Höllenspuk und wie die Hexen und Zauberer gekommen sind, so reiten sie wieder von dannen und bald ist ihre Spur verloren, ja einander befreundet haben sie sich dort oft selbst nicht gekannt. Etwas anders stellt das berüchtigte Holzschnittbild, welches sich bei Prätorius' Blocksbergsverrichtung findet, den Hexensabbath dar. Ganz oben auf der Kuppe des Berges sitzt ein Dudelsacksbläser auf einer Tonne, hinter ihm bläst ein anderer Musikant auf einem Kuhhorne, weiter unten sitzt auf einem hölzernen dreibeinigen Stuhle ein Bock, dem eine Hexe den Hintern küßt, und um den Platz selbst geht ein Reigen, wo ein Paar nach dem andern, Teufel und Hexen mit Ofengabeln, Fackeln und Blasinstrumenten, hinter einander tanzen, theilweise in sehr obscönen Stellungen. In der Luft schweben Hexen und Böcke, der Mond scheint und rechts unten sitzt eine Hexe von phantastischen Thieren umgeben und rührt einen von Feuer umgebenen Kessel. Die Teufelskanzel oben auf der Fläche des Brockens, der Hexenaltar, von dem aber freilich eine Steinplatte von muthwilligen Leuten herabgestürzt ward, sowie der Hexenbrunnen, ein in der Nähe des Wohngebäudes befindlicher, vom Regen ausgehöhlter Stein, in dem sich die Hexen angeblich bei ihrer Ankunft wuschen und in dem das Wasser wie Blut aussieht und nie austrocknet, sind noch vorhanden.
Fußnoten
1 So schreibt Mizaldus, Memorab. Cent. I. § 86.