880. Der Hohlstein.
(S. Landau in P. Wigand's Archiv f. westphäl. Gesch. u. Alt.-Kde. Bd. VI. H. III. S. 315 etc. u. Zeitschr. f. hess. Gesch. Bd. I. S. 355.)
Bei dem Dorfe Hilgershausen in den Vorthälern des Meißners an der von Großalmerode nach Allendorf führenden Straße, ohngefähr zwei Stunden von Witzenhausen, erhebt sich eine an 80 Fuß hohe Felswand von älterem Flötzkalkstein. An dem Fuße derselben öffnet sich eine geräumige Höhle, deren vormals weiter Eingang sich jetzt bis zu 40 Fuß Breite und 4 Fuß Höhe verengert hat. Ueber ungeheuere Felsstücke steigt man 50 Fuß hinab; rechts hebt sich die Höhle zu dem Gipfel des Berges, links liegt ein kleiner Teich des klarsten Wassers, das, in einen Naturkanal abfließend, in der beinahe 10 Minuten entfernten Dorfmühle herausstürzt. Diese Höhle heißt der Hohl(e)stein und kommt unter diesem Namen schon in einer Urkunde vom Jahre 1267 vor. Alljährlich am zweiten Osterfeiertage gehen die Burschen und Mädchen der Dörfer Hilgershausen und Kammerbach zur Höhle und steigen, nachdem sie sich sämmtlich mit einigen Blumen versehen, zu derselben hinab. Hier legen sie die Blumen gleichsam als Opfer nieder, trinken von dem klaren Wasser und füllen die mitgebrachten Krüge für die Ihrigen zu Hause. Indeß jetzt hat diese Sitte sehr nachgelassen, denn früher ward dieses Blumenopfer für so nothwendig gehalten, daß sich auch zu andern Zeiten Niemand gewagt hätte, ohne dieses in die Höhle hinab zu steigen. Man glaubte, durch den Besuch der Grotte, ohne ein solches, Gott zu erzürnen.
Das Dorf Hilgershausen, welches am Fuße des Meißners liegt, war sonst auch schuldig, dem Kloster Germerode jährlich einen Strauß Maiblumen zu liefern, ich kann nicht sagen, ob dieser Gebrauch mit jenem Blumenopfer zusammenhing.