[481] 531) Der Hexensabbath auf dem Brocken. 1

Ein preußischer Soldat aus Wernigerode kam nach Flandern. Im Quartier wird er gefragt, wo er her sei. Er sagte: »Ich bin am Blocksberge zu Hause.« Da sagte Jemand: Nun im Drübeckschen ist ein Pfeiler, daran steht mein und Deines Bruders Namen. Wir hüteten als Jungen die Schafe und unterhielten uns oft, wie viel Hexen es in unserem Orte wohl geben möchte. Am 12 Mai, von welchem Tage an die Hirten am Harz ins Gebirge treiben und nicht mehr auf den Wiesen hüten dürfen und der der Walpurgistag am Harz ist, machten wir einen Kreis von Drachenschwanz oder Schlangenkraut, auch Hörnkenkraut genannt, um uns her. Um 11 aber kamen die Hexen auf Besen, Heugabeln u.s.w. an, zuletzt aber fuhr unsere Nachbarin auf einem Fuder Heu ohne Pferde daher. »Nawersche, nehmt uns midde« riefen wir. »Ja, Jungens, sett üch op«, rief sie. Das thaten wir, nahmen aber den Kranz mit auf das Fuder und steckten ihn um uns her. »Jungens«, sagt sie, »nu sett üch wißt (fest)« und da geht's davon als wie ein Vogel fliegen thut. Als wir wieder zur Besinnung kamen, waren wir auf einem hohen Berge, da waren große Feuer, viele Gäste auf Gabeln und Ziegenböcken, und es wurde getanzt und es war allda die schönste Musik. Einer, der der Satan war, hatte zwei große Hörner auf dem Kopfe, ordnete die Tänze an und danach spielte er selbst mit. Die Alte war abgestiegen, wir Jungen aber zogen auf dem Heuwagen unsere Schallmey heraus und spielten auch mit. Nun kam der mit den Hörnern zu uns und sprach: »Jungens, ihr könnt ja prächtig spielen, ich will euch ein besseres Instrument leihen«. Da warf er uns eine andere Schallmey in den Kreis, die ging nun aber ganz prächtig, da huckten die alten Hexen wie die Stube hoch und freuten sich ordentlich. Als wir nun so eine halbe Stunde gespielt hatten, winkte er und wir mußten Halt machen. Da knieten Alle vor dem Hexenaltar, dann nahm der mit den Hörnern aus dem Hexenbrunnen Wasser, goß auch zwei Eimer in das Hexenwaschbecken, daraus mußten sie sich Alle waschen und wurden auch von ihm damit besprengt. Dann ging der Tanz wieder an und um 12 Uhr war Alles verschwunden, wir Jungen aber saßen in ihrem Kranz von Kraut auf der glatten Erde. Da kam der Anführer und fragte, was wir für unser Spielen haben wollten, wir aber baten nur um die Schallmey. »Die sollt Ihr behalten«, sagte er. »Am andern Morgen aber sahen wir, daß es eine alte Katze war, das Mundstück war der Schwanz, den hatten wir kurz und klein gekaut. Jetzt gingen wir herunter und kamen erst nach Drübeck, wo wir unsere Namen an die Säule schrieben. Meinen Bruder tödtete die Hexe, weil er in unser Dorf zurückkehrte, ich aber hütete mich vor ihr und ging hierher.« Die Säule hat mit den Namen im Kreuze zu Drübeck gestanden, bis dort ein großer Bau vorgenommen wurde.

Ein junger Bursch setzte sich auf den Kreuzweg, um in der Mainacht die Hexen auf den Brocken ziehen zu sehen. Er machte sich aber einen Kranz um Kopf und Leib und hatte sich über und über mit braunem Dust und Baldrian umwunden. Die Hexen kamen auf Enten und Gänsen, schurrten in Mulden, ritten auf Ofengabeln und Mistgrepen, und zuletzt kam die letzte [482] und oberste Hexe, die sagte: »Härrest Du nich braunen Daust un Faldrian, Sau woll ik üwel mit dik de Klange gahn.«

In der Walpurgis- oder Wolpersnacht stellen die jungen Burschen den Mädchen Besen vor die Thüre und necken sie dann am Morgen mit dem Hexenritt. Man reitet aber auch auf Bäumen und Butterfässern in der Mainacht nach dem Brocken. Die Hexen tanzen dann in der Walpurgisnacht den Schnee auf dem Brocken weg. Sie reiten dahin auf Ziegenböcken und abgenutzten Thieren, auch auf Pferden. Von den Weißdornen, woran das sogenannte Moldenbrod wächst, springen in der Walpurgisnacht die Spitzen weg.

Am Walpurgisabend blieb ein Bräutigam so lange bei seiner Braut, daß sie ihm gestehen mußte, sie hätte nun nicht mehr Zeit, weil sie nach dem Brocken fahren müßte. »So will ich auch mit«, sprach der Bräutigam. Da gingen sie mit einander auf den Hof und dort stand schon ein Puterhahn und wartete auf das Mädchen, dies setzte sich recht fest auf und der Bräutigam setzte sich hinter sie. Nicht lange dauerte es, so waren sie auf dem Brocken und es waren so viele Menschen da, daß der Bräutigam sich schier darüber verwunderte, wollte aber mit der Sache nichts weiter zu thun haben, und weil er auch todtmüde geworden war von dem Ritt, so wies ihm seine Braut ein schönes Gardinenbett, darin sollte er sich niederlegen und schlafen. Also that er auch, als er aber am andern Morgen erwachte, lag er auf der bloßen Erde in einem alten Pferdegerippe, das war das Gardinenbett gewesen.

Es ist einmal ein Bräutigam gewesen, der hat eine Braut gehabt. Die Braut aber und ihre Mutter waren beide Hexen. Als nun der Tag kam, an welchem die Hexen nach dem Brocken wandern, gingen die beiden Hexen auf den Heuboden, nahmen ein kleines Glas und tranken daraus, da waren sie auf einmal verschwunden. Der Bräutigam, welcher ihnen nachgegangen war, dachte: »Solltest auch einmal aus dem Glase trinken.« Er nahm also das Glas vor den Mund und nippte davon, da war er mit einem Male auf dem Brocken und fror, denn es war kalt. Ein Glas hatte er nicht mitgenommen und mußte deshalb den Rückweg zu Fuß antreten. Nach einer langen und beschwerlichen Reise kam er endlich wieder bei seiner Braut an, aber die war sehr böse und auch die Mutter zankte viel mit dem Bräutigam darüber, daß er aus dem Glase getrunken hatte. Mutter und Tochter kamen endlich überein, den Bräutigam in einen Esel zu verwünschen, welches denn auch geschah. Der arme Bräutigam war nun also ein Esel geworden und ging betrübt von einem Hause zum andern und schrie: Ija! Ija! Da erbarmte sich ein Mann über den Esel, nahm ihn in seinen Stall und legte ihm Heu vor; aber der Esel wollte es nicht fressen; da wurde er mit Schlägen aus dem Stalle getrieben. Nach langem Umherirren kam er einmal wieder vor das Haus seiner Braut, der Hexe, und schrie recht kläglich. Die Braut sah ihren vormaligen Bräutigam, wie er mit gesenktem Kopfe und herabhängenden Ohren vor der Thür stand. Da bereute sie, was sie gethan hatte und sprach zum Esel: »Wenn ein Kind getauft wird, so stelle Dich vor die Kirchthür und laß Dir das Taufwasser über den Rücken gießen, dann wirst Du wieder verwandelt werden.« Der Esel folgte dem Rath seiner Braut. Am nächsten Sonntage wurde ein Kind getauft, da stellte sich der Esel vor die Kirchthür. Als die Taufhandlung vorbei war, wollte der Küster [483] das Taufwasser wegschütten, aber der Esel stand ihm im Wege. »Geh, alter Esel«, sprach der Küster; aber der Esel ging nicht; da wurde der Küster ärgerlich und goß ihm das Wasser über den Rücken. Nun war der Esel erlöst, ging zu seiner Braut und heirathete dieselbe und lebte recht glücklich mit ihr.

Diejenige Hexe, so in der Walpurgisnacht sich verspätet hat und zu langsam gekommen ist, muß sich zur Strafe als einen Hackeblock gebrauchen lassen, darauf der Teufel das Fleisch zu den Würsten, die zur Fresserei gebraucht werden, hacken läßt. 2

Es giebt noch eine Beschreibung von einem solchen Hexensabbath, welche der Verfasser der hundstäglichen Erquickstunden (Th. I. c. 18) aus eigenem Anschauen gegeben hat, freilich sagt er nicht, ob er auf dem Blocksberg selbst gewesen sei. 3 Er erzählt, es sei in der Nacht ein Geist zu ihm gekommen, habe ihn geweckt und durch einen schönen grünen Wald auf eine überaus große und schöne, mit lieblichen Blumen gezierte Wiese oder Matte geführt, da habe er ihn sich auf einen grünen dicken Eichstamm setzen heißen und gesagt: »Fürchte Dich nicht! Du wirst allhier große Sachen sehen, die Du sonst niemals gesehen hast, schweige aber still, ich will Dich ohne Gefahr oder Nachtheil wiederum in Deine Kammer liefern.« Dieser Platz oder Wiese war nun aber nicht allein mit schönen Tapezereyen, gedeckten Tischen, Bänken und großen Herrnsesseln, Leuchtern, Kandeln, Bechern, Schüsseln, Tellern auf einem Nebentisch und aller Bereitschaft, welche zu einem herrlichen Banquet gehört, sondern auch mit absonderlichem auf der Wiese aufgeschlagenen und gleichergestalt mit Tapezereyen berähmten Theatrum, gleich einem Lust- oder Tanzhause wohl zugerichtet, darauf dann unter andern auch ein überaus köstlicher Sessel, etwas in die Höhe aufgeschlagen und etwa eine Elle hoch von der Erde erhöhet sich befand, aber sonst Niemand dabei. Plötzlich sah ich aber den ganzen vor ihm stehenden Platz mit solchem Glanz und Feuer umgeben und erfüllt, daß ich vermeinte, der ganze Platz stehe im Feuer, welches aber bald nachließ. Jedoch hingegen war der Platz mit einer solchen Menge von Pechlichtern erfüllt und erhellt, daß ich Alles, was darauf vorging, eigentlich sehen konnte. Erstlich nun ersah ich das Theatrum und darauf einen erhöhten Sessel, auf welchem ein ungeheurer Bock mit großen Hörnern und erschrecklichem Angesicht neben noch andern Böcken auf den Nebensesseln zu beiden Seiten saß. Bald kam auch eine große Menge Weiber und Männer als ein Kriegsheer auf dem Felde daher, ein Theil auf Böcken, ein Theil auf großen Hunden und ein Theil auf Stecken geritten (unter welchen dann diejenigen, so auf Hunden geritten kamen, vor allen Andern stattlich bekleidet waren), welche alle dem Theatrum zueilten und darauf sich einstellten und mit zusammengeschlagenen Händen niederfielen und den großen Bock anbeteten, wie auch ihm zu Ehren etliche, sonderlich die Männer Pechkerzen, der Weiber aber eine große Anzahl die Nabel junger Kinder herbeibrachten und aufopferten, auch gottlose Ceremonien mit Weihwasser und andern heiligen Sachen, in Despect der christlichen Ceremonien dabei trieben und den Bock anbeteten. Nachdem nun die zugerichteten Tische [484] allgemach mit Speise und Trank versehen waren, setzten sich die Gäste sämmtlich zu Tische und nahmen nach der Dignität eine jede Person ihre Stelle ein, dergestalt Buhlen sich gegenüber gleicherweise setzten. Die Speisen waren unterschiedlich, zum Theil köstlich, zum Theil schlecht, neben vielen Weinen in großer Menge vorhanden, welche die Geister oder Hexenbuhler anders woher gestohlen herbeigebracht hatten. In Summa, es war Alles bestellt, als wenn es eine ansehnliche Gasterei geben würde. Etliche schlechte Weibs- und Mannspersonen standen vor den Tischen als Aufwärter, darunter etliche arme Weiber allda standen, das Unterste nach oben gekehrt, sich für Leuchter zu gebrauchen, und ward eine Musik oder vielmehr ein Geheul von weitem her gehört, doch bisweilen ward dies auch als eine liebliche Musik gehört. Es waren auch unter dem Haufen etliche, sowohl Manns- als Weibspersonen, welche sich nicht eher zu Tische setzen durften, bis sie dem Teufel (welcher auf einem hohen Sessel an der Tafel, dann in Gestalt eines großen Hundes, dann eines Bockes, dann eines Fürsten sich präsentirte) Ehre erzeigt und Erlaubniß zu Tische zu setzen bekommen hatten. Wann diese bisweilen in ihrer auferlegten Verrichtung nachlässig gewesen, mußten sie also zuvor, ehe sie zu der Fröhlichkeit gelangen durften, Gott lästern und dann wurden sie erst zur Fröhlichkeit neben andern zugelassen, wenn sie demüthig um Verzeihung gebeten hatten, darbei denn wunderliche Stellungen gebraucht wurden. Etliche schlugen die Hände zusammen, etliche bückten sich mit dem Angesicht zwischen ihre Beine hinter sich, daß sie anstatt des Angesichts mit ihrer angeborenen Scham den Himmel ansahen und andere Greuel trieben. Ehe nun die Mahlzeit recht anfing, mußten sie vor dem Tische ihr Gebet zum Teufel thun und ihn anbeten, welches sie auch, als die Mahlzeit vollendet war, wiederholen mußten, dem Teufel die Ehre anzuthun, damit sie allein den Teufel anbeteten und für die Mahlzeit dankten. Dieser angestellten Gasterei wohnten die Teufel bei, etliche in offenbarer und unverdeckter, etliche in verdeckter und vermummter Gestalt, und hatten sich derer etliche mit einem Leingewand, andere mit einem andern Decktuch, andere in fremder unbekannter Person verkleidet. Hienächst wendet sich der Bock herum und zeigt sich der ganzen Versammlung von hinten; er hatte einen mächtigen Schwanz, den mußten sie zur Confirmirung ihrer Huldigung küssen. Ich konnte hierbei nicht stillschweigen und fragte einen Geist, wie dieses zu verstehen sei. Da sprach der Geist zu mir: »Den Du als einen Bock ansiehst, den sehen nicht alle in solcher scheußlichen Gestalt an, sondern nur diese, welche schon lange bei der Zauberei gewesen und darin also bestätigt sind, daß kein Abfall von ihnen zu Gott mehr zu befürchten ist. Die Ankömmlinge aber, die Du allhier in großer Menge siehst und an welchen noch zu zweifeln, ob sie beständig verbleiben möchten, die werden und sind verblendet und sehen ihn allda nicht in eines Bockes Gestalt sitzen, sondern sie vermeinen, sie sehen ihn an, als wenn er ein großer Fürst wäre und wenn sie seinen Hintersten küssen, so meinen sie, sie küssen ihm die Hände.« Nach vollendeter Mahlzeit behielten auch die Geister ihre fremde angenommene Gestalt und es ergriff ein jeder Geist seine ihm anvertraute Schülerin bei der Hand, fing an mit derselben zu tanzen, welcher Tanz mit ganz widerlichen und seltsamen abenteuerlichen Geberden verrichtet ward, denn die Rücken kehrten sie aneinander, die Hände schlossen sie in einen gerundeten Kreis zusammen, die Köpfe schlugen sie und [485] warfen sie gleich den Wahnsinnigen und Närrischen gegen einander. Etliche hielten brennende Windlichter in den Händen und neigten sich zuvor vor ihrem Teufel und küßten ihn und sangen demselben zu Ehren garstige und unfläthige Lieder. Einer von den Teufeln saß auf einem doppelt gespaltenen Baum, schlug auf die Trommel, der andere setzte sich zu ihm und spielte auf der Pfeife und machte den Andern einen lustigen Tanz. Ja es ging so seltsam und wunderlich durch einander, daß man es nicht wunderlicher hätte erdenken mögen. Nachdem alle Lustigkeit ein Ende hatte und es Zeit zu schlafen, gingen die Teufel und Hexen zu Bette. Nach Verlauf einer Stunde erhoben sie sich aber wieder von ihrem Lager, da denn ihr Morgengebet war, daß sie alle die von ihnen verübten Bubenstücke und Zaubereien erzählten. Welche nun die allerschrecklichsten und meisten Schandthaten auf die Bahn brachten, die wurden von den Teufeln am meisten gelobt; war es aber, daß einer nichts zu sagen wußte, oder doch nur schlechte und geringe Dinge anführte, ward derselbe vom Teufel oder einem der ältesten und erfahrensten Zauberer heftig zerschmissen.

Fußnoten

1 Nach Pröhle, Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856 in 8. S. 118 etc.

2 S. Behrens, Hercynia curiosa S. 137.

3 Bei Prätorius, Blocksbergsverrichtung S. 250.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Der Harz. 531. Der Hexensabbath auf dem Brocken. 531. Der Hexensabbath auf dem Brocken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-401C-4