1019. Der Alkenkrug.

(S. Mittheil. d. histor. Vereins zu Osnabrück Bd. II. S. 399. 1 Kuhn Bd. I. S. 33.)


In uralter Zeit, als das Dorf Alfhausen noch keinen Namen hatte, lagen in der Gegend, welche jetzt das Kirchspiel ausmacht, nur zwölf Häuser, an Sonn- und Festtagen aber gingen die Leute aus diesen Häusern über die große Westerholter Heide nach Merzen zur Kirche, weil sie selbst keine solche hatten. Eins von diesen zwölf Häusern stand aber mitten in der Heide bei den alten (8) Hünengräbern. Das Feld aber hieß das Giersfeld und das Haus der Krug, weil die Leute hier sich von dem weiten Wege bei einem Kruge Bier zu erholen pflegten. Der Krüger aber dachte stets mehr an seinen Verdienst als an Gottseligkeit; er hielt die Leute bei sich auf und nöthigte sie zum Trinken, indem er sagte, zur Messe hätten sie immer noch Zeit genug. Daher kam es, daß die Leute immer zu spät zur Kirche kamen und ihren Gottesdienst nicht ordentlich verrichten konnten. Weil er nun aber, trotzdem daß sie sich oft bei ihm beklagten, von seiner bösen Gewohnheit nicht lassen wollte, so strafte ihn die Hand Gottes: sein Haus, welches hoch oben auf einem Hügel stand, versank plötzlich in die Erde und an derselben Stelle zeigte sich dann eine Wasserkuhle, welche nach jenem Hause Alkenkrug genannt ward. Das machte aber die andern Leute daselbst so ängstlich, daß sich die übrigen eilf Häuser dort eine eigene Kirche bauten. Wo aber das Haus versunken war, da war es selten ganz richtig und man sagt, daß es dort noch bis auf den heutigen Tag spuke. Es soll nämlich aus dem Wasserloche [844] eine Frauensgestalt zuweilen herauskommen, welche meistens Alke 2 genannt wird. Wenn nun die Sonne recht schön scheint, dann hat man sie oft an dem Hügel sich sömmern und ihre Haare kämmen sehen. Wenn aber Abends ein Wagehals an den Pfuhl kommt und dreimal ruft: »Alke, komm, gehst Du mit?« dann kommt ein Drache herausgeschossen, packt ihn und reißt ihn mit sich in den Abgrund hinab.

Wie nun aber einstmals vor langen Jahren die Bauern aus der Nachbarschaft bei einem Kruge Bier saßen, prahlte einer mit seinem wackern und geschwinden Schimmel. Darauf schlugen ihm die Andern eine Wette vor, die er gewonnen haben solle, wenn er auf seinem Schimmel um den Alkenkrug herumreite und dreimal rufe: »Alke, komm, gehst Du mit?« Die Wette nahm der Bauer auch an, sattelte seinen Schimmel, ritt hin nach der Kuhle und wie er um dieselbe reitet, rief er dreimal: »Alke, komm, gehst Du mit?« Da antwortete Alke aus dem Boden herauf: »Den enen Schoh will ick antücken | Den ännern an rücken | Dann will ick di Düwel wal haben.« Als nun der Bauer zum dritten Male gerufen hatte, da brauste das Wasser in dem Kolke auf. Darauf gab er seinem Pferde die Sporen und jagte, so schnell er konnte, davon, allein Alke immer hinter ihm her in Gestalt eines feurigen, greulichen Drachen (oder wie Andere sagen, in der eines feurigen Rades). Sie flog dahin wie der Blitz und wollte ihn mit ihren scharfen Klauen packen. Das Pferd aber setzte über einen Graben und just in dem Augenblicke, wo Alke den Reiter packen wollte, über die untere Thüre hinein in das Bauernhaus, wo die übrigen Trinker noch beisammen saßen. Da mußte Alke zurückbleiben, weil ihr über das Haus keine Macht zustand. Darum rief sie mit grausiger Stimme: »Dat was di Düwel rain.« Der Bauer hatte nun wohl seine Wette gewonnen, aber auch seinen Schimmel verloren, denn als dieser über die Thür sprang, stürzte er todt auf die Diele nieder. Der Bauer aber, dem der Schweiß von seinen Haaren herablief, versicherte, er werde in seinem Leben niemals wieder eine solche Wette machen.

Fußnoten

1 Dieselbe Sage, aber etwas anders, ist erzählt ebd. Bd. III. S. 404 u.b. Kuhn Bd. I. S. 36 etc.

2 Vom gothischen alkeis d.h. die Glänzenden, Leuchtenden (Lichtgestalten der Asen). Tacitus (Germ. c. 43) spricht von einem von den Naharvalen (einem germanischen Volksstamme) verehrten Gott Alcis, der dem römischen Castor und Pollux gleichkomme. Ich weiß nicht, ob dies mit unserer Alke zusammenhängt.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. 1019. Der Alkenkrug. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-40BC-9