622) Der Zaubersaal zu Walkenried. 1
Nachdem im westphälischen Frieden ausgemacht worden war, es solle Alles wieder so werden, wie es am 1. Januar 1624 gewesen sei, wurde Walkenried wieder evangelisch und kam auch wieder in den Besitz der Herzoge von Braunschweig. Der Herzog Christian Ludwig ließ gelehrte Männer berufen und Schüler aufnehmen und für eine kurze Zeit ward die Schule recht berühmt, allein bald ging dieselbe aus Mangel an Schülern wieder ein und der letzte Rector zog im Jahre 1668 mit sämmtlichen Lehrern wieder nach Braunschweig. Nun befindet sich in den Klosterruinen heute noch über dem Kreuzgange ein großer Saal (oder vielmehr wüster Boden), der von der gleich zu berichtenden Begebenheit der Zaubersaal genannt und den Fremden gezeigt wird. In demselben haben einmal die Schulknaben gespielt und sich namentlich mit Springen belustigt. Sie haben ein Zeichen gelegt, um zu versuchen, wer unter ihnen darüber und am Weitesten springen könne. Indem nun solches geschieht, trägt es sich zu, daß ein Knabe, so dem Bericht nach von Ellrich soll bürtig gewesen sein und mit Namen Damius geheißen haben, darüber auf einen gewissen Platz springt und nicht wieder davon kommen kann, es mögen denselben auch die mitspielenden Knaben reißen und zerren, wie sie wollen, dieserwegen zeigen etliche derselben solches dem Rector an, welcher denn kömmt und den Knaben noch unbeweglich antrifft, kann ihm aber ebensowenig als die Knaben helfen. Es fällt ihm aber bei, daß solches von einer zauberischen Beschwörung herrühren müsse, und sagt dem Knaben, er solle fleißig um sich schauen, ob er etwa eine Schrift oder ein Zeichen erblicken könne? Welches der Knabe thut und wird über sich einen Zirkel [579] gewahr, siehet auch an der steinernen Wand nach Osten eine griechische Schrift, gegen Süden aber etliche Charaktere stehen, welches er theils herlesen, theils beschreiben muß, woraus der Rector versteht, daß in der Mauer ein Schatz verborgen sei und derjenige, welcher zu der Zeit, da solches geschehen, mit seinen Füßen den auf der Erde gemachten Punkt berühren würde, die Schrift sehen und das Verborgene offenbaren solle. Sobald der Rector dieses verstehet, wird der Knabe wieder frei und geht aus dem beschworenen Zirkel heraus, wohin er will. Hierauf zeiget der Rector solches an, da denn nach dessen Anweisung gesucht und ein steinern Geschirr mit Gelde eingemauert gefunden wird. Solches Geld soll sehr dünnen Schlages und so groß als ein Ortsthaler gewesen sein und hat man dasselbe hernach mit dem Geschirr Herzog Christian Ludwigen christmildester Gedächtniß nach Zelle übersendet. Der Ort, wo solcher Schatz gestanden, wird noch in dieser Stunde denen Curiosis gezeigt und ist ein viereckiges, auf gedachtem Saale in die Mauer gemachtes Loch, welches mit Steinen so wohl gefüget ist, daß man solches mit andern Steinen künstlich hat zuschieben und mit Kalk überstreichen können. Ob aber das in diesem Loche gefundene und mit Geld angefüllte Geschirr ein Topf oder, wie Einige wollen, ein Kästlein gewesen, muß man dahin gestellt sein lassen, zumal da solches nichts zur Sache thut. Auf diesen Zaubersaal ist Anno 1687 Herr Dr. Weitz, Hochfürstl. Sächs. Rath, Leibmedicus und Bürgermeister in Gotha, mit einigen Andern gegangen, um daselbst aus Curiosität die Metallruthe zu gebrauchen, da sie denn nicht weit von gedachtem Loche starke Züge der Ruthe angemerket, haben aber wegen großen Schreckens, so ihnen Allen angekommen, ablassen müssen, denn es ist am hellen Tage etwas dunkel um sie geworden, und obgleich keiner den andern feig gemachet, sind sie doch alle erblasset gewesen, derowegen sie sich bald wieder in Sicherheit gerettet, allwo sie einander fast gleichförmig erzählet, daß jedem gewesen, als wäre ein Wind durch ihn durchgegangen und sie mit den Haaren bis an die Decke gezogen worden, wie solches Herr Samuel Reiserus,Mathematum Professor zu Kiel in Holstein in einerDissert. jurid. philos. de nummis quibusdam ex chymico metallo factis cap. 36 § 20 p. 135 sq. aus Herrn Doctor Weitzens Epistel angeführet.
Diese Historie stärket nun aber den gemeinen Mann in seinem von diesem Saal annoch habenden Gedanken, daß noch mehr von den Mönchen mit gewissen Beschwörungen eingemauerte Schätze darauf vorhanden sein müssen, weilen es allhier gemeiniglich nicht gar zu richtig sei und der Teufel oftmals sein Spiel daselbst habe. Im Kreuzgange aber nach der Kirche zu ist eine Gestalt mit allerlei kleinen Thieren und Pflanzen daneben, als z.B. Tauben und Lilien zu sehen und hielt solcher obengedachter Herr Doctor Weitz für ein recht fatales Werk. Deswegen halten Etliche dafür, daß vor Alters Basilius Valentinus, unter dessen Namen viele berühmte chemische Schriften gedruckt sind, sich in diesem Kloster aufgehalten habe und dies ist auch die Ursache, daß Etliche vermeinen, wie der vorbesagte auf dem Zaubersaale gefundene Schatz kein Geld, sondern der Lapis philosophorum oder der Stein der Weisen gewesen sei, welchen der Rector heimlich geholt und sich damit, all seinen Hausrath im Stiche lassend, fortgemacht habe, woran aber doch Viele zweifeln und das Erstere für wahrhafter halten wollen.
Wie allgemein verbreitet jedoch der Glaube ist, daß von den Mönchen [580] noch andere Schätze hier vergraben worden seien, geht daraus hervor, daß vor einigen dreißig Jahren von der Regierung selbst hier Nachgrabungen angestellt wurden, die aber nicht den mindesten Erfolg hatten. Auch erzählt man sich, daß die Figuren oben an den Pfeilern und der Decke des Kreuzganges eine gewisse geheime Bedeutung haben. Oft sind Mönche erschienen, die sie lange und aufmerksam betrachteten und noch jetzt erscheint angeblich zuweilen plötzlich ein Mönch, der im Frühjahr durch dies hohe Portal tritt, dreimal langsam durch die Pfeiler hinauf- und hinabschreitet, auf keine Frage Antwort giebt und dann wieder spurlos verschwindet. Sonst ließ sich auch noch ein Mönch ohne Kopf auf dem Fruchtboden des aufgehobenen Klosters sehen, wo die Arbeitsleute alle Vierteljahre ihre Frucht bekamen. Hatte nun der Amtmann wie gewöhnlich die Leute betrogen, so hat er furchtbar rumort und spektakelt. Dasselbe hat er auch in der Mühle gethan, in die Ställe ist er auch gekommen und hat das Vieh geängstigt.
Fußnoten
1 S. Behrens, Hercynia curiosa S. 193.