613) Die Zwerglöcher bei Scharzfeld. 1
Im Gemeindeholze bei Scharzfeld, auf der sogenannten Sneie, ist die Zwerghöhle. Da haben die Querge gewohnt. Sie stahlen Kinder, die von den Arbeitsleuten auf dem nahen Felde in die Kiepe gesetzt waren, und setzten für die gestohlenen Kinder kleine Zwerge hinein. Wenn die Mütter nachher zu ihren Kiepen gingen, um zu sehen, was ihre Kinder machten, so erblickten sie statt ihrer Zwergkinder. Wenn dann die Mütter laut schrieen, so brachten die Zwerge die Kinder wieder und nahmen ihre Zwergkinder wieder mit fort. Aber nicht immer nahmen sie die Kinder blos so zum Scherz. Einmal kam ein alter Zwerg zu der Edelfrau auf dem Gute Scharzfeld und sagte, wenn sie das Räthsel nicht errathen könnte, was er ihr aufgeben wolle, so nähme er ihr Kind weg. Das Räthsel aber lautete so:
Heute brau ich, morgen back ich, übermorgen bin ich Edelkind;
Edelfrauen, ich weiß, daß ich Fidlefitchen heiß.
Das hat die Edelfrau nicht rathen können, da hat ihr der alte Zwerg ihr Kind weggenommen und einen kleinen Zwerg dafür untergeschoben. Da haben sie denn lange auf dem Gute eine kleinen Zwerg als Edelkind gehabt und das hat der alte Zwerg mit seinem Räthsel gemeint.
Die Zwerge von Scharzfeld gingen auch des Nachts auf die umliegenden Dörfer und holten Braten und Alles fort, was sie dort in den Häusern fanden. Am Liebsten gingen sie aber auf das Erbsenfeld des Gutsherrn [573] und naschten zur Nachtzeit die Erbsen weg. Dabei hatten sie ihre Nebelkappen auf und dadurch wurden sie unsichtbar. Später aber nahmen die Leute einen langen Leigesiemen, d.h. eine Leine, womit die Pferde beim Pflügen gelenkt werden, zogen dieselbe über alle Grenzen der Felder hin und davon fielen ihnen die Nebelkappen vom Kopfe und sie wurden sichtbar. Darauf wurden sie tüchtig durchgeprügelt und dadurch sind sie scheu geworden und haben sich weggezogen bis auf einen, der da noch jetzt herumgeht.
In der Zwerghöhle bei Scharzfeld sind in späterer Zeit viele Menschen gewesen, aber Keiner ist bis ans Ende gekommen. Hinten in der Höhle fließt ein Wasser, darüber liegt eine Brücke. Wer über diese Brücke kommt, der hat gewonnen und bekömmt viel Gold, Diamanten und dergleichen Schätze mehr, denn in diesem Wasser findet man das meiste Gold. Einst hat es auch ein Jäger versucht, an diese Stelle zu gehen, aber derselbe ist nicht wieder herausgekommen. Nachher hat man ihn mit seinem Hunde versteinert in der Mitte der Höhle gefunden. Nur Einer ist einmal über den Fluß gekommen, das ist ein Waldarbeiter aus Scharzfeld gewesen, der hat Gehr geheißen. Ihm hat der Böse einen Sack mit Steinen gegeben; wie er nun aus der Höhle war, da ist ihm der Sack zu schwer geworden, und als er nun sah, daß es Steine waren, die er in dem Sacke hatte, da warf er sie wieder vorne in die Höhle. Nur seine Taschen steckte er voll, wie er aber mit den paar Steinen zu Hause kam, war es lauter Gold. Schnell lief er wieder hin zur Höhle, allein die andern Steine hatte der Böse schon selbst wieder zu sich genommen.
Fußnoten
1 Nach Pröhle, Harzsagen S. 193. S.a. Behrens,Herc. cur. S. 36. 62. 74. 75.