1219. Das Teufelsschiff.

(S. Sundermann a.a.O. S. 25.)


Die meisten Kanzler der ostfriesischen Fürsten haben wenig oder nichts getaugt und ihre Stellung nur benutzt um das Volk zu drücken und sich möglichst zu bereichern. Keiner von allen ist aber so verhaßt gewesen, als der Kanzler Justus von Wetter. Dieser war eine wahre Landplage, eine Geißel der Unterthanen. Besonders litten aber die Stiefkinder des ostfriesischen Fürstenhauses, die Harlländer, unter seinem harten Regiment. Zufälliger Weise starb er gerade in ihrem Gebiete. In der Nacht aber, wo er auf dem Sterbebette lag, erschien der Teufel und forderte die Angehörigen des Sterbenden auf, sich zu entfernen, da er allein das Recht habe, die Seele in Empfang zu nehmen und nach der Hölle zu führen. Als dies geschehen war, drehte der Teufel dem Hilflosen den Nacken um, zog ihm die Seele aus dem Halse und flog damit von dannen, der Küste zu, wo das Höllenschiff zur Abfahrt bereit lag. Noch wußte kein Mensch im Harllande vom Tode des Wetter, da erschienen frühmorgens im Hafen von Harlingersiel Schiffer von den Inseln Langeroog und Spiekeroog, welche mit verstörtem Angesicht berichteten: »Wir lagen zur Nacht auf dem Watt hinter unsern Netzen und fuhren langsam weiter fischend der Küste zu. Gerade wie es zwölf Uhr war, segelte geräuschlos und gespenstisch ein völlig schwarzes Schiff mit allen Segeln, die ebenfalls pechschwarz waren, windeinwärts an uns vorüber. Es war ein wunderliches Leben am Bord und obgleich es finstere Nacht war, sahen wir deutlich die Mannschaft, welche aus vielen hundert Teufeln bestand, am Deck und im Tauwerk wirthschaften. Und hinten am Ruder stand ein Teufel, schrecklicher als alle andern anzusehen, der hielt in seinen furchtbaren Klauen ein weißes Ding, das sich winselnd hin und her wand, und bisweilen, wenn der Satan es kneipte, jämmerlich aufschrie. Und wie waren wir erschrocken, als unsere Schiffe zuerst plötzlich zur Seite geworfen wurden, und dann wie festgebannt da lagen und eine schrille Stimme uns zurief: Sagt Eueren Landsleuten, der Teufel holte diese Nacht den Kanzler fort! und dann war das Teufelsschiff plötzlich hinten auf hoher See und ein Hohngelächter klang aus weiter Ferne zu uns herüber. Eilend sind wir da fortgefahren, um von der unheimlichen Stelle zu entkommen.« Da war denn ob dieser Nachricht große Freude im Lande und noch heute sagt man, dem Kanzler sei groß Recht geschehen.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Hannover. 1219. Das Teufelsschiff. 1219. Das Teufelsschiff. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-4CA1-5