759. Warum in Frankfurt kein Kind sich ohne Willen seiner Eltern verheirathen dürfe.

(S.v. Lersner S. 59.)


Sonst ist in allen deutschen Städten die Gewohnheit gewesen, daß wenn ein Kaiser oder König in eine solche kam, und einer der bei ihm befindlichen Hofbedienten eine schöne und reiche Bürgerstochter sah, und solche zur Ehe haben wollte, konnte er auf diese Art ohne die Eltern und die Weibsperson selbst darum zu begrüßen sie erlangen, er begrüßte nur den Kaiser darum und dieser schickte seinen Marschall vor ihre Wohnung und ließ durch diesen Folgendes ausrufen:


Höret zu Ihr Herren überall

Was gebeut der König und Marschall

Was er gebeut und das muß sein

Hier ruf ich aus N.N. mit N.N.

Heut zum Lehen, morgen zur Ehen

Ueber ein Jahr zu einem Paar.


Nun war unter des Kaisers Hofbedienten auch einer, der sich in des Johann von Goldstein Tochter verliebte und sie zu ehelichen verlangte, welche dann der König auf obgedachte Weise belangen ließ. Da nun der von Goldstein seine Tochter nicht gern von sich gab, trat er selbst vor den König Heinrich, brachte durch verständige Gründe zu Wege, daß ihn der König in Bezug dieser gezwungenen Ehe mit seinem Hofbedienten nicht allein gänzlich absolvirte, sondern auch den vier Wetterauischen Städten deswegen unter dem 14. Januar 1232 das Privilegium ertheilte, daß hinführo alle Eltern von dergleichen gezwungenen Ehen ihrer Kinder befreit sein sollten. Von dieser Verordnung rührte aber in Frankfurt noch die im 18. Jhdt. Gebräuchliche [678] Gewohnheit her, daß die Kinder am ersten Tage des Monat Mai in einem grünen Wäglein von Haus zu Haus herum fuhren und mit heller Stimme die obgedachten Verse ausriefen.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. 759. Warum in Frankfurt kein Kind sich ohne Willen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-4ECD-4