570) Von den Geistern in der Scharzfelsischen Höhle oder den Zwerglöchern. 1

Nächst der Baumannshöhle ist die Scharzfelsische Höhle die merkwürdigste im Harze. Die Einwohner des Landes nennen sie insgemein die Zwerglöcher. Sie befindet sich am Unterharz in der alten Grafschaft Hohnstein, nicht weit von dem Schlosse Scharzfels, im Gehölz und Busche gelegen. Die dieselbe besuchenden Führer berichten von derselben, daß hier oftmals zur Nachtzeit ein so großes Ungewitter und Donnern verspürt werde, daß auch die Höhlen davon erschütterten, und sagen Einige, daß sie solches selbst gehört hätten, als sie einstmals des Nachts über darin geblieben wären. Die Ursache aber schreiben sie gemeiniglich den Erdteufeln oder Gespenstern zu.

Einstmals haben sich am Abend Petri und Pauli fünfundzwanzig Personen mit einander eidlich verbunden, diese Höhlen gänzlich zu durchkriechen und ihre Beschaffenheit recht zu erkunden, zu welchem Ende von ihnen nicht allein viele Lichter, Leitern und Schnüre, sondern auch auf etliche Tage Speise und Trank mitgenommen ward. Als sie nun auf solche Art über 100 Klaftern weit in die finstern Höhlen gekrochen, wären ihnen hier sehr viele curiose Sachen vor Augen gekommen, untern andern aber ganze Paläste, allerhand schöne Bilder und Säulen, welches alles aus Tropfstein bestanden und von dem Tropfwasser so schön gebildet worden, als wenn solches durch Kunst und Menschenhand geschehen gewesen, ingleichen hätten sie daselbst etliche schöne Brunnquellen, fließende Wasser, viele Knochen und ganze verwesete Körper von ungewöhnlicher und grausamer Größe angetroffen, auch wären sie in viele heimliche Schlupfwinkel gerathen, und als sie durch dieselben gekrochen, auf solche große Plätze gekommen, daß sie auch alle fünfundzwanzig neben einander gehen können, welches sie so lange getrieben, bis sie weiter fortzukommen nicht mehr vermocht, alsdann sie denn gezwungen worden seien, den Rückweg wieder zu nehmen und durch Hilfe der bei dem Eingange angebundenen [517] und aneinander geknüpften Schnüre oder Fäden sich aus den Höhlen zu machen. Dieses sei ihnen zwar geglückt, sie hätten dann aber doch in denselben ihre vorige Gestalt ziemlich verloren und wären von der in den grausamen Höhlen und Oertern ausgestandenen Furcht und großen Kälte dergestalt im Angesicht erblichen und verstellt worden, daß sie auch deswegen nicht mehr zu erkennen gewesen, als sie wieder zu Hause angelangt. Endlich wird hier das sogenannte unicornu fossile oder gegrabene Berg-Einhorn gefunden, aber bei weitem nicht mehr in solcher Menge als vor alten Zeiten, weil man früher hier sehr viel herausgeholt und den Apothekern verkauft hat. Das, was jetzt noch in der Höhle gegraben wird, ist meistens nur noch das, was vormals entweder gar nicht gefunden, oder seiner Schwärze halber verachtet worden ist.

Fußnoten

1 S. Behrens S. 37 etc.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Der Harz. 570. Von den Geistern in der Scharzfelsischen Höhle. 570. Von den Geistern in der Scharzfelsischen Höhle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-50B2-D