735) Die Erbauung von Marienmünster. 1

Der fromme Bischof Badurad von Paderborn hatte ein Gelübde gethan, der heil. Jungfrau zu Ehren ein Kloster zu bauen, nur konnte er über den Ort, wo es stehen sollte, nicht mit sich einig werden. Zu derselben Zeit hatte ein alter Hirt, welcher über Nacht bei seinen Schafen auf dem Felde war, ein Gesicht von einer großen Schaar Hirsche mit leuchtenden Geweihen, welche sich erst, als wenn sie etwas suchten, im Thale herumtrieben, sich dann aber auf einem Flecke zusammenfanden und lagerten und zuletzt spurlos verschwanden. Der Hirt erzählte das Gesicht einem Geistlichen und als sich die Erscheinung allnächtlich wiederholte, auch seinen übrigen Bekannten, und so gelangte das Gerücht endlich auch zum Bischof. Der heilige Mann reisete nach dem bezeichneten Orte hin und fand gleich in der ersten Nacht die Sache so, wie man ihm gesagt hatte. Als er nun darüber ernstlich[694] nachdachte, fiel ihm ein, dies sei vielleicht der Ort, welchen sich die heil. Jungfrau selbst zu ihrem Gotteshause ausersehen habe. Er flehte also im inbrünstigen Gebete zu derselben, sie möge ihm doch hierüber ein Zeugniß geben. In der kommenden Nacht ging Alles wie früher, allein einer von den Hirschen erhob sich und trat in die Mitte der andern. Da sah der Bischof, daß der Hirsch statt des Geweihes ein goldnes Kreuz auf dem Haupte trug; derselbe blieb einige Zeit stehen, dann beugte er sich und legte das goldene Kreuz auf den Boden nieder. Darauf war die ganze Erscheinung verschwunden. Jetzt glaubte Badurad Alles verstanden zu haben, er ließ also an dem Orte den Bau der Kirche und des Klosters beginnen und der Altar kam genau an die Stelle, wo der Hirsch das Kreuz niedergelegt hatte. Dies goldne Kreuz zeigt man aber noch bis auf den heutigen Tag in dem Kloster Marienmünster.

Fußnoten

1 S. Seiler S. 38.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Westphalen. 735. Die Erbauung von Marienmünster. 735. Die Erbauung von Marienmünster. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5741-2