14. Der Schäfer und Kaiser Friedrich. 1
Einst hütete auf dem Kiffhäuserberge ein junger Schäfer; der hatte auch viel gehört von dem Kaiser Friedrich und gedachte bei sich, daß er ihn wohl einmal sehen möchte, pfiff deshalb ein hübsches Liedlein auf seiner Schalmei. Mit einem Male rauschte es in den Büschen und über einer Felsklippe ward ein ehrwürdiges Greisenhaupt sichtbar, das rief mit milder Stimme: »Knabe sprich, wem Du mit Deinem Liedlein hofirt hast?« Und der Junge besann sich nicht lange, sondern antwortete: »Das hat Kaiser Friedrich gegolten!« »So komm mit mir, daß er Dir auch lohne«, sprach die Gestalt, und der Hirt folgte ihr nicht ganz ohne Zagen. Er ging viele Stufen abwärts bis an eine metallene Thüre, die mit hellem Krachen aufsprang; da sah nun der Schäfer eine große mächtige Halle voller Gold, Edelsteine, Wehr und Waffen, und eine Schaar stattlich gerüsteter Ritter, die sich Alle tief vor seinem Führer [446] neigten. Da merkte der Schäfer, daß der alte Rothbart selbst sein Führer gewesen war und erschrack. Doch der Kaiser sprach ihm Muth ein und sagte zu seinem Hofgesinde: »Dieser Knabe hat uns geehrt.« Zeigte ihm darauf allen Glanz und Pracht der Halle, kostbare Waffen und Truhen voll Gold; dann fragte er den Hirten: welchen Lohn er begehre? Dieser erwiederte: »Keinen!« Da brach der Kaiser den Fuß von einem Handfaß, reichte diesen dem Jungen dar und sprach: »Nimm das und gehe; sage auch droben, daß wenn die Zeit sich erfüllt hat, der Herr uns lösen wird aus diesem Bann, dann soll das deutsche Reich frei und das heilige Grab aus des Türken Hand erlöst werden.« Der Hirt kam hinauf und der Berg that sich zu. Der Fuß des Handfasses war von lauterm Golde.
Fußnoten
1 Nach Bechstein, Thüringischer Sagenschatz Bd. IV. S. 15, 18, 21.