[Kaum daß ich dich wieder habe]

Suleika

Kaum daß ich dich wieder habe,
Dich mit Kuß und Liedern labe,
Bist du still in dich gekehret;
Was beengt und drückt und störet?
Hatem

Ach, Suleika, soll ich's sagen?
Statt zu loben, möcht ich klagen!
Sangest sonst nur meine Lieder,
Immer neu und immer wieder.
Sollte wohl auch diese loben,
Doch sie sind nur eingeschoben;
Nicht von Hafis, nicht Nisami,
Nicht Saadi, nicht von Dschami.
Kenn ich doch der Väter Menge,
Silb um Silbe, Klang um Klänge,
Im Gedächtnis unverloren;
Diese da sind neugeboren.
Gestern wurden sie gedichtet.
Sag! hast du dich neu verpflichtet?
Hauchest du so froh-verwegen
Fremden Atem mir entgegen,
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Der dich ebenso belebet,
Ebenso in Liebe schwebet,
Lockend, ladend zum Vereine,
So harmonisch als der meine?
Suleika

War Hatem lange doch entfernt,
Das Mädchen hatte was gelernt,
Von ihm war sie so schön gelobt,
Da hat die Trennung sich erprobt.
Wohl, daß sie dir nicht fremde scheinen;
Sie sind Suleikas, sind die deinen!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Goethe, Johann Wolfgang von. [Kaum daß ich dich wieder habe]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-61E5-8