[111] Abglanz

Ein Spiegel, er ist mir geworden,
Ich sehe so gerne hinein,
Als hinge des Kaisers Orden
An mir mit Doppelschein;
Nicht etwa selbstgefällig
Such ich mich überall;
Ich bin so gerne gesellig,
Und das ist hier der Fall.
Wenn ich nun vorm Spiegel stehe
Im stillen Witwerhaus,
Gleich guckt, eh ich mich versehe,
Das Liebchen mit heraus.
Schnell kehr ich mich um, und wieder
Verschwand sie, die ich sah;
Dann blick ich in meine Lieder,
Gleich ist sie wieder da.
Die schreib ich immer schöner
Und mehr nach meinem Sinn,
Trotz Krittler und Verhöhner,
Zu täglichem Gewinn.
Ihr Bild in reichen Schranken
Verherrlichet sich nur
In goldnen Rosenranken
Und Rähmchen von Lasur.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Werke. Gedichte. West-östlicher Divan. Buch Suleika. Abglanz. Abglanz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6485-8