An Zachariä

Schon wälzen schnelle Räder rasselnd sich und tragen
Dich von dem unbeklagten Ort,
Und angekettet fest an deinen Wagen
Die Freuden mit dir fort.
Du bist uns kaum entwichen, und schwermütig ziehen
Aus dumpfen Höhlen (denn dahin
Flohn sie bei deiner Ankunft, wie vorm Glühen
Der Sonne Nebel fliehn)
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Verdruß und Langeweile. Wie die Stymphaliden
Umschwärmen sie den Tisch und sprühn
Von ihren Fittichen Gift unsrem Frieden
Auf alle Speisen hin.
Wo ist, sie zu verscheuchen, unser güt'ger Retter,
Der Venus vielgeliebter Sohn,
Apollens Liebling, Liebling aller Götter!
Lebt er? ist er entflohn?
O gäb er mir die Stärke, seine mächt'ge Leier
Zu schlagen, die Apoll ihm gab;
Ich rührte sie, dann flöhn die Ungeheuer
Erschreckt zur Höll hinab.
O leih mir, Sohn der Maja, deiner Fersen Schwingen,
Die du sonst Sterblichen geliehn,
Die reißen mich aus diesem Elend, bringen
Mich zu der Ocker hin;
Dann folg ich unerwartet ihm am Flusse,
Allein so wenig staunet er,
Als ging' ihm, angeheftet seinem Fuße,
Sein Schatten hinterher.
Von ihm dann unzertrennlich wärmt den jungen Busen
Der Glanz, der glorreich ihn umgibt;
Er liebet mich; dann lieben mich die Musen,
Weil mich ihr Liebling liebt.

Notizen
Entstanden 1767, Erstdruck ohne Goethes Wissen 1776 unter dem Titel »An Herrn Professor Zachariä. 1767«. Erster autorisierter Druck 1815.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Goethe, Johann Wolfgang von. An Zachariä. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-686A-C