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An Carl Friedrich von Reinhard

Unseres werthen, so thätigen als zuverlässigen Freundes von Müller ununterbrochene Mittheilungen haben mich diese ganze Zeit her in Ihrer Nähe gehalten, daß ich mit reiner Theilnahme den Schicksalen Ihrer Werthen und Lieben und also auch Ihrer eigenen hausväterlichen Existenz mit nahem Antheil beywohnen konnte. Möge, wie es bisher sich angelassen, nun alles einen schönen erfreulichen Erfolg gewinnen.

Ich habe mich die letzte Zeit nicht aus der Stadt, kaum aus dem Hause bewegt, und mich zwischen mäßigem Glück und Unheil, wie es das liebe Leben zu bieten pflegt, thätig hingehalten. Beykommendes Heft bringt wohl, edler, theilnehmender Freund, einiges zu Genuß und Unterhaltung. Sie sehen wie wundersam ich herumgeführt werde, und wenn ich nicht von jeher meine Radien am Mittelpunct festgehalten hätte; so könnt ich bey so hohen Jahren kaum in der Richte bleiben; doch geht es bis jetzt noch bescheidentlich[58] weg und wir wollen sorgen, daß es fernerhin auch nicht fehle.

Hiebey darf ich nicht vergessen, wie höchst wichtig mir die Nachricht von der Reisewitterung gewesen, die Sie aufzuzeichnen die Güte hatten. Müssen wir aufgeben, den Witterungswechsel vorauszusagen, so werden wir gewiß über Gegenwart und Vergangenheit klarer, welches immer schon viel heißen will. Vermissen wir ja doch auch in den wichtigsten Ereignissen unseres Lebens die Einsicht in das Nächstfolgende.

Sodann habe ich glücklicher zu vermelden daß ich diese Zeit her ohne Anstoß zugebracht, so daß ich mit einer meinen Jahren geziemenden Bescheidenheit bekennen darf mich verhältnißmäßig wohl befunden zu haben; wenigstens fand ich mich keinen Tag ganz außer Thätigkeit gesetzt und so ist denn manches geleistet und vorgearbeitet worden.

Freundlicher Besuche hatte ich mich mancher zu rühmen; von Herrn Grafen Sternbergs Anwesenheit habe wohl schon gemeldet; sodann gedenke sehr gern der kurzen Gegenwart des Herrn Ritters von Martius aus München. Der hohe Werth seines innern Vermögens hat sich durch eigenthümliche Aufnahme der Außenwelt auf einen solchen Grad gesteigert daß man sich zusammennehmen muß um würdig zu schätzen was man mit Bewunderung anerkennt.

Von Künstlern erwähn ich die Herren Rauch und Schinkel, deren höchst bedeutende Talente durch die[59] augenblicklichen Bau- und Bildbedürfnisse in Berlin dergestalt in Thätigkeit gesetzt sind daß sie einem Schwindel erregen möchte.

Wie noch gar manches der Art hätt ich mitzutheilen, wenn es nicht Zeit wäre abzuschließen, damit Sie nicht noch länger eines schriftlichen ausdrücklichen Zeugnisses entbehren, wie ich aufrichtig, herzlich und dauerhaft einem würdigen treuen Freunde anzugehören für das höchste Glück schätze.

in treuster Anhänglichkeit

Weimar den 26. December 1824.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6ABA-6