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An den Großherzog Carl August

[Concept.]

Ew. Königlichen Hoheit

kann nun wohl am Ende meiner hiesigen Laufbahn vermelden, daß Thal und Gegend sich recht pfingstmäßig ausgeschmückt haben und daß an Blüthen und Blättern weiter nichts zu wünschen mehr übrig bleibt. Die Kronleuchter der Kastanien glaube nie so schön gesehen zu haben, es sind Fackeln darunter von einem Fuß bis achtzehn Zoll, vorzüglich an der Sommerseite. Alles steht so frisch und jung als man es nur wünschen kann, es donnert und regnet und hellt sich bald wieder auf, die Luft bleibt immer warm und der Zustand ist sehr angenehm. Die Einrichtung der Lohnfuhren läßt jede Stunde nutzen und ich habe die Gegend kreuz und quer nach geologischen Zwecken durchfahren. Conta erinnert sich seiner frühern Studien dieser Art und ist ein angenehmer Theilnehmer an solchen mitunter etwas schroffen Studien.

Indessen habe ich manches Neue und im Ganzen für interessant zu Haltende bey diesen Bemühungen aufgefunden, wovon ich das Bedeutendere an Herrn v. Schreibers gesendet, mit Beschreibung und Bemerkung. Der wackere Mann, den ich gleich bey meinem Eintritt in Carlsbad brieflich begrüßt, hat mir schon wieder geantwortet und besonders Hoffnung gemacht, [44] von jenem Urwald nächstens unterrichtende Exemplare ankommen zu sehen.

Auch Frau Gräfin O'Donell habe ein von ihr längst gewünschtes, auf Hinterlassenschaften Ihro Majestät der höchstseligen Kaiserin, die unsere Freundin als Reliquien bewahrt, deutendes Gedicht übersendet. Sie ist gar so gut und erwidert in der bekannten Art jedes Andenken. Ew. Hoheit sind immer der Anfang und das Ende ihrer freundlichen Erinnerungen. Nun muß ich aber vor allem der dringend aufgetragenen Empfehlung gedenken, womit mich der Fürst von Thurn und Taxis für Ew. Hoheit belud. Auf die Carlsbader Mineraliensammlung, die ich recht stattlich und vollständig wieder zusammengelegt und durch die letzten Excursionen bereichert hatte, war er aufmerksam gemacht worden und besuchte mich mit den Seinigen gar freundlich. Sie nahmen alle zusammen an meinem consequenten Vortrag verständig heitern Antheil. Es gab Gelegenheit, manche Bemerkung zu machen, in's Allgemeine deutend und dann wieder in's Einzelne, Besondere, Nutzbare.

Frau Herzogin von Curland wünscht gleichfalls ihr Andenken erfrischt zu wissen. Noch geht der Quell nicht aus eigener Anmuth, um die Menschen anzuziehen und zu verbinden.

Prinz Carl von Sondershausen darf ich nicht vergessen, dem ich und seiner Gemahlin zur guten Stunde aufgewartet.

[45] Höchst erfreulich war es mir auch, Professor Hermann aus Leipzig nach vielen Jahren wiederzusehen; er ist noch so wacker und nett wie jemals, sein Dämon ist ihm getreu geblieben.

Mehrerer gedenke ich nicht, obgleich noch manche Persönlichkeiten mich anziehen würden, wenn ich nicht abschließen müßte.

Bevor ich mich also hierdurch beurlaube, bemerke nur noch, daß die Carlsbader Bürger ganz angelegentlich die Frage wiederholen: ob denn Ew. Hoheit, da Sie doch sonst dem Bade günstig gewesen, nicht auch dasselbe abermals besuchen und die gute Meinung für dasselbe begünstigen möchten.

Nach meinen jetzigen Zuständen darf ich wohl als gewiß annehmen, daß ich Sonntag in Eger eintreffen werde. Den ächten Vulkan des Kammerbergs zwischen Eger und Franzensbrunn wünschte zu besuchen; man hat in dem sogenannten Krater nachgegraben; was auch daselbst vorgekommen sey, ist immer interessant.

C. B. d. 26. May 1820.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6ADB-B