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An Carl Friedrich Zelter

Was zu meinem dießmaligen Geburtsfest sich Wundersames ereignet, wird dir die behende Fama schon zugebracht haben, ehe du Gegenwärtiges erhältst. Ich aber kann weiter nichts hinzufügen, als daß uns in unsern alten Tagen des Guten beynahe zu viel zugemuthet wird. Es gehörten wirklich jüngere Sinne[44] und Schultern dazu, dergleichen alles aufzufassen und zu tragen.

Nun zu dem Inhalt deiner letzten Briefe: Dr. Parthey kam eben zu rechter Stunde, um an öffentlichen und häuslichen Tafeln sich zu unterhalten und zu ergötzen. Professor Gans langte zu gleicher Zeit an; auch er ward manches Erfreulichen theilhaftig.

Rösels vorzüglich schönes Blatt fand mich auch gerade in gutem Humor, und ich konnte ihm etwas Freundliches erwidern, das er dir gewiß gleich vorzeigen wird.

Die Münzen erhielt ich durch La Roche schon längst; dein erklärendes Briefchen durch die artige Jüdin erst gestern. Danke dem Geber zum schönsten; es sind Silberrupien, die sich neben einer goldenen, die ich befaß, recht hübsch ausnehmen. Sie waren doppelt willkommen, weil mein Sohn eben für einen eleganten, geräumigen Münzschrank gesorgt hatte, wo man denn erst neben einander und zusammen sieht was vorhanden ist. Bedeutende Dubletten habe ich nicht zum Austausch anzubieten; wäre aber die Medaille von Bovy in Silber angenehm, so könnte ich damit dienen.

Den guten Förster beschwichtige mir. Ich würde ihm wohl von Zeit zu Zeit etwas mittheilen; wie ich denn z.B. nichts dagegen habe, wenn Rösel sein kleines Gedicht dort will abdrucken lassen. Aber die guten Menschen verlangen gleich, daß man sich associiren [45] soll, und dafür hat man sich denn doch zu hüten, weil sie mitunter tactlos und indiscret sind. Auch wirst du dich erinnern, wie Gleim in seinen alten Tagen sein Talent auf diesem Weg zuletzt trivialisirte; ich erinnere mich, damals auf ein Stück Mercur geschrieben zu haben:


In's Teufels Namen,
Was sind denn eure Namen!
Im deutschen Mercur
Ist keine Spur
Von Vater Wieland,
Der steht auf dem blauen Einband;
Und unter dem verfluchtesten Reim
Der Name Gleim.

Das Erst' und Letzte, wovon ich aber reden soll, bleibt immer dein Bildniß. Es hat an sich sehr viel Verdienst und so auch den allgemeinsten Beyfall gefunden. Bleibt dem gebildeten Kenner bey'm Anblick noch etwas Problematisches, bey näherer Untersuchung ein zu Wünschendes, so liegt es daran, daß dieser Mann, von so vorzüglichem Talent, wie alle unsere neuen bildenden Künstler nicht einen Sebastian Bach zum Urvater haben, den sie anerkennen, dessen Lehren und Thun sie respectiren müssen. Daher kommt denn, wie es Begassen ja auch gegangen ist, daß sie sich in allen Arten und Weisen versuchen, wodurch sie denn nicht früh genug dazu gelangen, die rechte Weise auszubilden und sich mit ihr vollkommen zu einigen. Daher kommt's denn, daß das Publicum [46] nicht weiß, was es aus manchen redlichen Bemühungen machen soll, wenn auch ein Kunstwerk angelegt und noch so sorgfältig ausgeführt ist, weil, der Künstler stelle sich wie er wolle, eine falsche Conception auf den natürlichen Menschen ohne Wirkung bleibt. Wie sehr ihm aber durch deine Geduld und Mitwirkung dießmal gelungen ist, kannst du aus beyliegendem Blättchen sehen. Es wird dich freuen, was ein geistreicher Mann aus dem Bilde herausgesehen oder hineingelegt hat. Gib mir einen Wink, was ich dem braven Künstler, den du schönstens dankend grüßen magst, irgend Freundliches erweisen könnte.

Ein Brief an ihn geht mit diesem zugleich ab. Das oben Gesagte theilst du niemand mit, es kann nichts helfen; denn die Deutschen werden sich mit ihrem Unabhängigkeitsgefühl noch eine Weile abquälen.

Die Fortsetzung folgt. Rösels Blättchen liegt bey.

angehörig

W. d. 1. Sept. 1827.

Goethe.

[Beilage.]

Bey jedem neuen Anblick scheint es lebendiger zu werden, geistig bedeutender sich auszusprechen. Der abgebildete, nicht zu verkennende Würdige horcht auf, er hört zu mit Vergnügen und Befriedigung; doch gibt er sich dem Genuß nicht hin, sondern er ist zugleich Richter; er hebt unwillkürlich den Zeigefinger der rechten Hand, die obwaltenden Töne begleitend,[47] auch allenfalls einzugreifen, wo der Chor schwanken sollte. In diesem Sinne scheint der dargestellte Meister sich vorwärts zu neigen, und sich doch wieder zurückzuhalten, woraus wirklich für den Blick eine Art von Bewegung entsteht. Aufmerksamkeit und Behagen spricht sich aus in den verjüngten liebenswürdigen Gesichtszügen des erfahrnen, durch und durch gebildeten Mannes; hiezu harmoniren alle Glieder, Formen und Umrisse.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Carl Friedrich Zelter [Beilage.]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6B1E-F