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An Sulpiz Boisserée

Ihr liebes Briefchen, durch Herrn v. Conta gesendet, erwidere ich dankbar.

Wenn ich Sie, wie ich mich nicht recht erinnere, in meinem letzten Schreiben auf den 51. und 52. Band[150] der Wiener Jahrbücher aufmerksam gemacht habe, ohne daß Sie diese edlen Hefte deshalb aufgeschlagen hätten, so bin ich nicht schuld, wenn von Ihren Weimarischen Kunstfreunden keine weitere Kenntniß zu Ihnen gekommen. Genug, in dem ersten ist zu finden, wie ich mich mit Zahns pompejischen Alterthümern befreundet, und, wie sorgsam zunächst Meyer sich nach den vorzüglichsten Kupferstichen und Lithographien umgesehen, in dem zweyten. Halten Sie sich versichert, wie Sie es auch sagen, daß unser innigstes Interesse an allem, was gut und schätzbar ist, nur wächst und sich auf die wunderbarste Weise steigert. Ich kann mich in meiner gegenwärtigen Stellung mit nichts abgeben, als was ich bewundern muß, und da[zu] gehört denn doch wahrhaftig Ihre, in einem großen und höchst bedeutenden Felde beharrliche, mitunter mühselige, aber auch ehren- und vortheilhaft begünstigte Thätigkeit.

Von Ihrem Porträt möcht ich sagen: es ist recht anmuthig ähnlich, dabey sind Sie durch Cornelius' Auge und Hand durchgegangen. Auch könnte wohl seyn, daß eine leibe zärtliche Gattin den ganzen Habitus (wie wir Naturhistoriker und ausdrucken) des theuren Freundes zu größerem Wohlbehagen eingeleitet hätte. Verzeihen Sie! aber meine Schmellerische Zeichnung hat mehr von dem eigentlichsten Sulpiz Boisserée; dieser letzte ist ein wackerer Mann, deren es aber allenfalls noch ähnliche sich finden könnten. Dieß alles ist, wie Sie wissen, nur ein Hin- und [151] Widerreden, wodurch weder etwas recht dargestellt, noch entschieden wird, schwankende Worte, wie wir über Natur und Kunst so viele vernehmen.

Von mir selbst kann ich nur sagen, daß ich die geneigte Manifestation der moralischen Weltordnung nicht genug verehren kann, die mir erlaubte mich körperlich und geistig auf eine Weise wieder herzustellen, die dem Augenblick allenfalls genug thut. Denn daß die großen Unbilden, die mich in Umgebung und Persönlichkeit zu Ende des vorigen Jahrs überfielen, meine Bezüge gegen die Außenwelt gar sehr verändern mußten, werden Sie denken. Wenn ich auch innerlich mir gleich bleib, so war es doch eine schwerere Aufgabe, in Bezügen zu wirken, die ich längst andern übertragen hatte. Aus der Stellung des Großvaters zum Hausvater aus dem Herrn zum Verwalter überzugehen, war eine bedeutende Forderung. Sie ist gelöst, und wenn ich sage, daß Tochter und Enkel sich so betragen, daß man sich über ihre Fügsamkeit, Zucht und Anmuth, über alles unabsichtliche Zuvorkommen und harmonisches Übereinseyn nicht genug erfreuen kann, so ist noch nicht alles gesagt. Wollte man dieses Behaben und Behagen nach der Wirklichkeit schildern, so würde es zwischen die Idylle und das Mährchen hineinfallen.

Die Ausgabe meiner Metamorphose der Pflanzen, Original und Übersetzung, mit biographischen und literarischen Zuthaten mancher Leser nicht unerfreulich, [152] schließt sich Ostern gewissermaßen in der Hälfte, aber gerade am schicklichsten Absatz. Es ist eine wundersame Stellung, wenn man seine Gedanken unmittelbar in's Französische übersetzt sieht und dabey zu fühlen glaubt, daß das dort wohl nicht so recht passen würde. Wir sind hier activ, da wir unser ganzes Leben her an Übersetzungen so viel gelitten haben.

Ich weiß nicht, ob es zu Ihrer Kenntniß gekommen, daß ich an dem Streit, der sich zwischen Cuvier und Geoffroy de St.Hilaire trotz aller akademischen Convenienzen hervorthat, durch ein Wort in der Berliner Monatsschrift gestreift habe. Ich werde mich hüten weiter zu gehen, obgleich alle wissenschaftlichen Dinge unter den fürchterlichsten politischen Bewegungen immer so gut ihren Gang fortsetzen, als Schuster, Schneider pp. ihre Handwerke unter Krieg und Noth fortführen.

Da ich, um in dem einmal gewonnenen Zug nicht abzubrechen, ein neues Blatt nehmen muß, so hab ich vor allen Dingen Sie zu ersuchen, Herrn Ober-Bergrath Kleinschrot zum allerschönsten zu danken für die seltenen – –

Die Furcht zufälliger Retardation läßt mich Gegenwärtiges allzugleich absenden.

Weimar den 20. März 1831.

G. [153]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6B2C-F