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An Carl Friedrich von Reinhard
[12. März 1827.]
Wie uns der Anfang des vorigen Jahres in Lein und Trauer fand, so erschien das gegenwärtige mit [81] den angenehmsten Ansichten, und hätte nicht der Unfall Ihro Majestät des Königs eine freyere lebhaftere Communication gehindert, so wären unsre Fest zwar nicht die brillantesten, aber doch gewiß die anmuthigsten gewesen die in einem fürstlichen Kreise gefeyert werden. Braut und Bräutigam jung, schön, liebenswürdig und liebend, würden in jeden Verhältnissen Heiterkeit verbreitet haben, und sind uns desto erwünschter in einer höhern Sphäre, wo die ganze Constellation zugleich auf schöne äußere Bezüge und auf ein inneres Behagen hindeuten. Drey hintereinander gefeyerte Geburtstäge, Hoftage, Tafeln, Concert und Bälle und, durch die besondere Gunst des Winters, Schlittenfahrten mit aller Lust und Schmuck, erhielten jung und alt in kreisender Bewegung, wodurch denn meine Einsiedeley gelegentlich sehr freundlich berührt und besucht wurde. Indessen durfte ich mein literarisches Tagewerk nicht vernachlässigen und ich war manchmal wirklich in bedrängter Lage. Auch jetzo muß ich mich zusammennehmen und die Thüre schließen, wenn ich meine Gedanken in die Ferne brieflich in Worte fassen will.
Ihre beiden so reichen als anmuthigen Briefe, verehrtester Freund, sind mir indessen nicht aus dem Sinne gekommen; möge sich nach Ihrer Rückkehr alles nach Wunsche gestaltet haben.
[82] Vorstehendes längst Geschriebenes verfehle nicht endlich heute, den 12. März, kurz vor Frühlings Anfang, bey sicht- und empfindbar scheidendem Winter fortzusetzen und wiederhole, daß es mir seit Anfang des Jahres ganz wohl gegangen. Mein Befinden war leidlich, so daß ich die mir zugedachten höchsten Besuche mit Behaglichkeit verehren und genießen konnte. Auch muß dieser edlen Persönlichkeiten nochmals gedenken. Von Ihro Königlichen Hoheit dem Kronprinzen sage mit Wenigem: daß er auf mich einen vollkommen angenehm-günstigen Eindruck gemacht und mir den Wunsch hinterlassen hat, ihn früher gekannt zu haben und länger zu kennen. Die drey Herren Gebrüder, von meinem Fürsten eines Morgens mir zugeführt, sah ich mit Freude und Bewunderung. Man kann einem Könige Glück wünschen, drey so verschiedenartige wohlgebildete Söhne (mit einem vierten, den ich noch nicht kenne) vor sich heranwachsen zu sehen. Sie haben ein ganz frisches Leben in unsre Cirkel gebracht und das Behagen unsres Großherzogs an ihnen und dem neu eingleiteten Verhältniß war nur mit Rührung anzusehen.
Das wichtige und mit allem Ernst zu behandelnde Geschäft der neuen Ausgabe meiner werke konnte ich den ganzen Winter über sorgfältig verfolgen; auch kommt zu Ostern ein Heft Kunst und Alterthum heraus, welches ungesäumt erfolgen soll. Diese Arbeiten[83] welche mit mir sich niederlegen und wieder aufstehen, die mich Nachts, in durchwachten Stunden, ununterbrochen beschäftigen, sind die eigentliche Ursache meines retardirten Briefschreibens. Da ich meinen Freunden diese Äußerungen meines Daseyns gar oft im Stillen, und zwar persönlich zudenke, so komme ich nicht dazu ihnen einige vertrauliche Worte unmittelbar zu widmen.
Von guten Ereignissen hat mich diese Tage die endliche Bestimmung des Boisseréeschen Schicksals und Besitzes höchlich gefreut; besonders nach meiner Denkweise schien mir die auf ihnen ruhende Last ganz unerträglich; sie können nun doch das, was ihnen obliegt, besonders auch die Herausgabe des Domwerks, mit mehrerem Behagen und ruhigerem Sinne abwarten.
Übrigens kommt mir in meinen alten Tagen der Gährungsprozeß im Königreiche Bayern gar wunderbar vor; es sind und werden dort so vielerlei Elemente versammelt, deren Einigung, Verkörperung und Gestaltung sich niemand denken kann. Indessen werden wir, bey größter Longävität, Probleme hinter uns lassen und in der Hoffnung scheiden, daß die Nachwelt sich unerwartet glücklicher Resultate möge zu erfreuen haben.
Aus Paris ist manches Gute zu mir gekommen, durch die Herrn Boisserée, Coudray und andere. Von Herrn Baron v. Cuvier habe ich eine schöne [84] Sendung Fossilien, theils in natura, theils in Modell; dessen Fräulein Tochter erwi-
Die Fortsetzung nächstens, indess
treulich und herzlich
J. W. v. Goethe.