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An Ernst Wolfgang Behrisch
Leipzig, d. 16 Octbr. 67.
Gott weiß, ich binn so dumm, so erzdumm, daß ich gar nicht weiß wie dumm ich binn. Meynst du denn, ich könnte mir einbilden daß du fort bist. Das hab ich mir noch gar nicht gesagt. Ich komme zwar nicht mehr in Auerbachshof, wo ich sonst alle Tage lag, und das sollte doch eine merckliche Aenderung in meinen Umständen machen; aber, es kömmt mir so vor als wenn ich eben jtzt nicht wollte, oder du mir nicht Audienz geben könntest; und daß mirs, wenn ich gleich Heute nicht hinauf ginge, doch Morgen nicht versagt wäre hinauf zu gehn; und so vertröst' ich mich von einem Tage zum andern, und geh einmal in's Rosenthal, einmal nach Waren, wo ich gestern Salvavenia beynahe ersoffen wäre. Hernach geh ich einmal zu meiner Kleinen, spiele der Abwechslung wegen einige Scenen aus des Goldonis Verliebten, die Sie zur mehreren Erbauung drüben nachlesen können. Ich habe heute wieder so einen dummen Auftritt gehabt, über einen dummen Zahnstocher, das nicht der Mühe wehrt war; aber heutzutage da's einem um die Situationen so Noht tuht, sieht mann überall wo mann sie herkriegt, und die kriegt ich nun vom Zahnstocher. Es ist eine schöne Sache um's Genie. [118] Darnach versöhnt ich mich wieder um ihr deinen Brief geben zu können. Aber warrlich nur des Briefs wegen, ich hätte mich sonst nie wieder versöhnt. Und da gab ich ihr den Brief, den laß sie, und verstand ihn nicht, da ging's ihr wie mir. Warrlich die Stelle von sittsam seyn und von nie geküsst haben, das ist griechisch für mich. Der einzige Horn, der sonst so duttend ist, der will's verstanden haben, und meynt das wäre eine Liebeserklärung in terminis. Auf alle Fälle will ich mir nicht den Kopf zerbrechen, denn das tuht weh, sagte meine Mutter.
Ubrigens hielte ich einen kleinen Dialog, mit meinem Mädgen, an der Küchentühre, der sich besonders gut ausnahm. Da sagte sie denn, wenn ich an dich schreibe, so sollte ich dir schreiben, daß Sie am Hinausgehen nicht Schuld gewesen wäre, das wär' das erste, und zweytens, daß Sie dir für die Erspaarung des Abschieds danckte, weil sie gewiß geweint haben würde, weil sie dich lieb hätte, und da drückte sie mir die Hände und hatte die Tränen in den Augen die eigentlich deinem Abschiede bestimmt waren. Und da war sie fertig. Ich meynte aber es stündte noch mehr im Briefe, auf das mann noch mehr antworten könnte; da meynte sie, darauf könnte ich selbst antworten, und du dir zur Noht selbst weil du wohl wüßtest wie sie dächte. Uber die reitzende Creatur hätte sie gelacht, und bedanckte sich recht schöne daß du sie auf die Gedancken gebracht hättest warum sich so viele in sie [119] verliebten. Das hätte sie weg daß du einer von den ansehnlichsten Philosophen seyst die sie je gekannt hätte. Ferner freute sie das Zutrauen daß du ihr die Briefe an deinen Freund so sehen liesest, und hinten drein kam der Refrein: daß sie am dummen Hinausgehen nicht schuld gewesen wäre. Punctum. Was macht denn Mamsell Auguste? die ist mir heute eingefallen, quer hinein, und da dacht ich du mußt fragen wie lebt sie? Kommen hinführo noch Briefe an mich? Hölle! das gute Mädgen haben wir seit guten 4 Wochen ganz vergessen, und wenn je ein Mädgen verdient hat, daß man an Sie denckt, so hat's die verdient. Mercke dir das. Und wenn Sie herkömmt so verlieb ich mich in sie das ist schon ausgemacht, wo ich's nicht schon binn, und da spielen wir einen Roman vice versa, das wird schöne seyn. Gute Nacht ich binn besoffen wie eine Bestie.
Leipzig d. 17 Octbr. 67.
Es ist noch ebensoviel Zeit, daß ich dir noch einen Brief mit der heutigen Post schicken kann.
Gestern binn ich sehr närrisch gewesen, das sehe ich aus meinem Briefe, sollte ich wohl heute gescheuter seyn? Ich weiß nicht. Du hättest immer schweigen können, daß du drüben zu früh angekommen bist, es hilft uns nichts und ärgert uns nur; besonders den Horn, dem es unaufhörlich im Kopfe liegt daß du[120] nicht noch hinunter gegangen bist. Apropos von wegen unten. Der Hr. Langer ist der Mutter und Tochter ums Tohr begegnet, mit dem Grafen, an dem sie ihn gleich kannten, Hr. Langen soll sie scharf angesehen, und sich etlichemal nach meinem Mädgen umgesehen haben, woraus die Alte nach ihrer Weltkänntniß schließen will, ere sey von verliebter Complexion, die Tochter, zerbricht sich den Kopf nicht drüber, und schreibt es auf Rechnung ihres Reitzes, von dem Sie seit deinem Briefe eine hohe Idee gekriegt hat. Sie mag aber haben was für einen Begriff sie will von ihrer Schönheit |: das ist das wahre von der Construcktion :| so weiß sie alle Reitzungen so gegen mich zu gebrauchen die kleine Zauberinn, daß sie mich mehr als jemals festhält. Es scheint als wenn sie sich gewisse Zeitpunkte zu nutze machte, sich immer tiefer in mein Herz zu graben. Aber höre wie stehts um deins? Erkläre dich deutlicher, wenn ich mir nicht den Kopf zerbrechen soll. Ich will deinen Brief niemanden zeigen ich will ihn zerreißen, ob ich gleich noch nicht das geringste Billiet von dir zerrissen habe, sage mir nur was heißt das? Allen kann es vielleicht verständlich scheinen, nur ich, der ich dich kenne, oder wenigstens zu kennen glaube, kann mir keine Auslegung darüber machen. Ich habe mir wircklich den Kopf zerbrochen, und habe nichts herausgebracht als daß du sie liebst. Aber das ist nicht sehr wahrscheinlich. Laß es seyn! Du hast es halb und halb getroffen. Bedauert habe [121] ich dich nicht, denn dazu weiß ich nicht genug, gelacht habe ich nicht, dazu fehlt mir eine Dosis Schadenfreude, das mercke ich aber daß ich dich und sie deßwegen mehr liebe, unendlich mehr liebe, aus Zärtlichkeit und aus Stolz, kanns auch erklären wie's zugeht, wie's aber mit dir zugeht das kann ich nicht erklären.
Ich binn bey Oesern gewesen, habe in deinem Nahmen Abschied genommen, und Langern empfohlen. Er fragte mich ob ich noch zum Grafen ginge, da ich's verneinte, bat er mich, ich möcht's doch ja thun. Da sagt ich ihm, es wären einige Umstände in der Haußkronick die es ausdrücklich verböten, weiter mit dieser Familie in Gemeinschafft zu leben; das meynte er, verstünde er nicht, und ich vertröstete ihn auf einen abermaligen Besuch, da ich ihn mit der Sache bekandter zu machen versprach. Zu Börnern will ich morgen gehn, und will ihn wegen des Schnupftuches um Raht fragen, und dein Geschäfte ausrichten.
Auf den Montag sagen die guten Studia mit Macht an, ich habe jetzo eben soviel Dummheit im Kopfe als ich brauche um fleisig zu seyn. Doch mein Schäferspiel soll nicht vergessen werden, du sollst's bald kriegen, du wirst's nicht mehr kennen es ist ganz geändert. Ich habe einen Plan zu einem neuen Romeo gemacht weil mir Weissens seiner beym Durchlesen gar nicht gefallen hat; Gott bewahre einen für der Idee ihn auszuführen.
[122] Un si penible ouvrage
Jamais d'un ecolier ne fut l'aprentissage.
und ich binn dem Himmel sey Danck noch ecolier per omnes casus. Adieu. Gott seegne sie. Ich habe viel geschrieben; aber warlich nicht viel.