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An Sulpiz Boisserée

Nach dem Empfang Ihres werthen Briefes vom 24. November aus Paris, welcher mir Hoffnung giebt. Sie bald wieder näher zu wissen, säume ich nicht einen vorläufigen Gruß nach Stuttgart zu senden, wo er den, nach glücklich beendeten Geschäften, froh und gesund nach Hause zurückkehrenden Freund treulich begrüßen soll. Daß mir Ihres vieljährigen, mit großem Fleiß, anhaltender Mühe und mannichfaltiger Sorge unternommenen Werkes immerfort mit treuem Antheil gedenken und Ihnen endlich eine belohnende Beruhigung wünschen, davon sind Sie [36] überzeugt; Glück! also zu Ihrer wohlgelungenen Reise.

Möge ich nun auch erleben, daß sich das Schicksal Ihrer Bildersammlung endlich entscheide. Meyer kommt so eben von Berlin zurück und bringt auslangende Nachricht von den dortigen wundersamen Kunstschätzen. Auch die Solly'sche Sammlung hat ihn in Erstaunen gesetzt; er prüfte sie, so viel in kurzer Zeit möglich war. Sie wissen am besten, daß Gemälde sich nicht so leicht durchschauen und beurtheilen lassen. Übrigens ist eine Thätigkeit von Bauen, Bildhauen, Mahlen über alle Begriffe in Berlin. Rauch hat einen Abguß meiner Büste hieher gesendet, man kann sehr damit zufrieden seyn, besonders wenn man sie ansieht als Vorarbeit zum Marmor, wo alles das, was jetzt für allzu streng und charakteristisch gehalten könnte, sich durch Material und Behandlung gar wohl besänftigen wird, ohne von seiner Bedeutung zu verlieren.

Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit auch von der vaterländischen Unternehmung Kenntniß erhalten, besonders aber, welchem Baumeister das Geschäft anvertraut ist.

Mit dem ersten Hefte des dritten Bandes von Kunst und Alterthum bin ich auch schon bis zum siebenten Bogen. Der Druck von Wilhelm Meisters Wanderjahren wird nun auch angefangen. Es kommt mir sehr wunderbar vor, ein [37] zwanzigjähriges Manuscript, an das ich bisher kaum gerührt, redigirend abzuschließen. Es erscheint mir als ein wiederkehrender Geist, freylich jugendlicher und liebenswürdiger als der jetzige Autor und die jetzige Zeit.

Meinen Winter bringe ich in entschiedener Einsamkeit zu, da ich nicht aus dem Hause gehe und daselbst nur die Nächsten, Gleichgesinnten und allenfalls einige Fremde sehe. Mitunter erzählt man mir viel Gutes von der Ausstellung Ihrer Bilder, gelegentlich aber auch von den schalkhaften Streichen unseres Bertram, der sich als ein echter Gallerie-Inspector, bey seinem oft unerfreulichen Geschäft, durch guten Humor und Schadenfreude zu entschädigen weiß.

Hiemit sey der erste freundlichste Gruß abgeschlossen.

treulichst

Weimar den 9. December 1820.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6B7F-6