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An Johann Heinrich Meyer

Das Programm habe sogleich nach meiner Ankunft an Hofrath Eichstädt zugestellt, denselben aber noch nicht gesprochen. Ich werde bald hören, ob vielleicht etwas auszulassen ist.

Indem dieses geschrieben ist, tritt Hofrath Eichstädt mit einer wahren Jammergestalt zu mir ins Zimmer, aussehend ohngefähr wie der alte Moor in Schillers Räubern, da er aus dem Hungerthurm hervorgezogen wird, fängt mit einer Vorklage an von bösen Zeiten, detaillirt die literarisch-merkantilische Noth durch alle Rubriken und bittet den Druck des Programms aufzuschieben, weil sie an allen Ecken und Enden sparen müßten. Ich gebe ihm darauf ziemlich trockene Resolution und erbitte mir das Manuscript zurück, welches er mir auch einhändigt, mit wiederholter Bitte, davon bis auf bessere Zeiten keinen andern Gebrauch zu machen. Ich gestehe aber aufrichtig, daß ich nicht der Gesinnung bin. Den Aufsatz über die Münzen müssen wir freylich zurücklegen. Ich will die neue Platte bezahlen und die vorjährige zu acquiriren suchen. Das giebt immer ein Fundament zu einem Werklein, das wir nach und nach ausarbeiten, und das zuletzt Cotta der Allverleger auch einmal verlegt. Die Nachrichten über Kunstsachen [10] schickte ich, wenn es Ihnen recht ist, an Cotta gleich ins Morgenblatt, und wir könnten überhaupt dorthin noch andere wenden, weil, wie Sie selbst schon früher klagten, Eichstädt manche Recension über Kunstsachen liegen ließe. So verdienen z.B. die Ornamente von Bußler ehrenvolle wiederholte Erwähnung und Anregung. Laßet die Todten ihre Todten begraben, wir wollen uns zu den Lebendigen halten.

Zweytens muß ich vermelden, daß wir ein Rescript bey der Bibliothek erhalten haben, die Kunstsachen im Fürstenhause Ihnen zu übergeben. Ich habe dagegen in einem weitläufigen Promemoria ausgeführt, daß man alle Gemälde und alle Zeichnungen in Glas und Rahmen, auch wie sonst an der Wand aufgemacht seyn möchten. Alles was im Schlosse, im Fürstenhause, Luftschlössern und Landhäusern sich befände würde verzeichnet, und die Special Inventarien für jeden Castellan, Schloßvogts oder augenblicklichen Aufseher und Bewohner gefertigt. So könnte denn auch Jagemann alles was sich an seiner Seite befindet, in Aufsicht behalten; was oben auf Ihrer Seite aufgehängt ist, wäre Sache des Schloßvogts, weil ja ohnehin die Zimmer von Fremden gelegentlich bewohnt werden sollen. Soviel zur Nachricht [11] für heute, damit Sie wissen, was vorgegangen ist. Leben Sie recht wohl, gedenken sie mein, und lassen etwas von sich hören.

Jena. d. 11 Jan. 1811.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6B8C-6