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An Bernhard August von Lindenau

[Concept.]
Hochwohlgeborner,
Insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Hochwohlgebornen, haben mir in den wenigen Stunden, die ich das Glück hatte mit Ihnen zuzubringen, soviel Vertrauen eingeflößt, daß ich es wagen kann, Sie auf Ihrer wichtigen Reise mit einem kurzen Schreiben zu verfolgen, und sie um eine Gefälligkeit zu bitten. Ich habe nämlich im vergangenen Winter, eine schon ziemlich ansehnliche Sammlung von Handschriften bedeutender Männer vergangner und gegenwärtiger Zeit geordnet; wobey mir denn der Wunsch natürlich einstehen mußte, sie nach und nach immer vermehrt zu sehen. Auch habe ich in letzter Zeit von mehreren Freunden angenehme Beyträge erhalten.

Eben war ich im Begriff Ew. H. Gleichfalls darum gehorsamst zu ersuchen, indem Sie bey Ihrer ausgebreiteten Correspondenz und bey dem großen Schatz des früheren Briefwechsels, der sich auf der Seeberger Sternwarte befinden muß, sich gewiß in dem Falle sehen, manches minder wichtige, für mich aber sehr[260] bedeutende Blättchen mir zuzuwenden; als ich vernahm, daß dieselben eiligst abgereist seyen.

Nun kann ich, wie es bey Liebhabereyen geht, mich nicht entbrechen, jenen Wunsch Ew. H. Nachzusenden, um so mehr als Sie auf der großen und für die Wissenschaft soviel versprechenden Reise die trefflichsten Männer nicht allein Ihres Faches, sondern der ganzen lebenden wissenschaftlichen Welt, zu sehen und zu berühren im Falle sind. Bey einer solchen Gelegenheit kommt, wie mich die Erfahrung gelehrt hat, gar manches bloße Höflichkeits-Billet, eine Einladungs-, eine Visitencharte vor, welche weniger geachtet werden, und die doch zu oben gedachtem Zwecke höchst schätzbar sind. Und so theilt wohl auch Jeder gern ein Blättchen mit von einem Manne seines Wohnortes, wenn er auch schon abgeschieden wäre.

Mögen Ew. H. bey Ihrem wichtigen Unternehmen auch eine so kleine Nebenrücksicht nicht verschmähen, so werde ich unter diejenigen gehören, welche außer dem höhern allgemeineren Wunsch für das Gelingen Ihres schönen Unternehmens, auch noch eine besondere Freude haben, Sie gesund und glücklich wieder im Vaterlande angelangen zu sehen. Bis ich für eine solche Gefälligkeit irgend etwas Angenehmes erzeigen kann, nehmen Sie indessen die Versicherung der aufrichtigsten Hochachtung und des Anerkennens Ihrer vorzüglichen Verdienste. Wie sehr wünsche ich, daß Ew. H. Die kleine Sternwarte zu Jena, bey Ihrer Rückkunft, [261] schon im Stande und Herrn von Münchow in voller Thätigkeit und auf diese Weise Ihre gefällige Theilnahme belohnt finden mögen.

Der ich die Ehre Habe mich mit der vollkommensten Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 9. Februar 1812.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Bernhard August von Lindenau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6BB7-4