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An Charlotte von Stein

Dienstag d. 22. Aug. 86.

Nun muß ich auch meiner Liebsten schreiben, nachdem ich mein schweerstes Pensum geendigt habe. Die Erzählung am Schlusse Werthers ist verändert, gebe Gott daß sie gut gerathen sey, noch weis niemand nichts davon, Herder hat sie noch nicht gesehn. Kaum ist's physisch möglich daß ich vor meinem Geburtstag fertig werde, doch hoff ich noch, geht es; so erleb ich diesen Tag nicht hier.

Nun freu ich mich wenn du das alles gedruckt sehn wirst, ich dencke immer an dich bey allem was ich mache.

Hier siehts recht gut aus. Die Prinzess sieht niemand bey sich und stört niemanden. Der Herzog ist lustig und thut der Gesellschafft wohl; wäre er nicht manchmal roh gegen die Frauen, er wäre ganz unbezahlbar.

Ich lese alle Abende vor, und es ist ein recht schönes Publikum geblieben. Gestern haben die Vögel ein unsägliches Glück gemacht. Heute les' ich Iphigenien wieder, morgen noch etwas und übermorgen gehn Harrachs fort. Graf Carl ist hier, ein sehr braves Wesen.

Imhof hat den famosen Juden sehr, die schöne Gräfinn weniger glücklich gemahlt, ich freue mich noch über den Felsen und Thurm den du erhalten wirst.

[6] Heute hofft ich auf Briefe von dir, sie kommen erst Freytags. Stein hat der Waldner närrisch geschrieben.

Die arme Waldner leidet, die Herder ist auch nicht ganz recht; aber das Menschenvolck ist auch darnach, sie wissen alle nicht was ihnen frommt.

Herders sind gar gut.

d. 23. Aug.

Gestern Abend ward Iphigenie gelesen und gut sentirt. Dem Herzog wards wunderlich dabey zu Muthe. Jetzt da sie in Verse geschnitten ist macht sie mir neue Freude, man sieht auch eher was noch Verbesserung bedarf. Ich arbeite dran und dencke morgen fertig zu werden. Auf alle Fälle muß ich noch eine Woche bleiben, dann wird aber auch alles so sanfte endigen und die Früchte reif abfallen.

Und dann werde ich in der freyen Welt mit dir leben, und in glücklicher Einsamkeit, ohne Nahmen und Stand, der Erde näher kommen aus der wir genommen sind.

Lebe wohl. Freytags hoff ich einen Brief von dir. Grüse Fritzen und Stein, Ernst und die Imhof. Ich habe dich herzlich lieb und das Leben wird mir erst werth durch dich.

Der alte König soll todt seyn. Das müßt ihr nun schon gewiß wissen wenns wahr ist. Adieu.

G. [7]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786 [2]. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6BFD-8