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An Johann Friedrich Rochlitz

Ew. Wohlgeboren

haben mir durch Ihr letztes Schreiben abermals viel Vergnügen gemacht. Es war mir sehr erwünscht, zu hören, daß unser Theater sich seine Freunde in Leipzig erhält und seinen Gönnern daselbst keine Schande macht.

Ich will gern gestehen, daß mir diese Sache sehr am Herzen lag. Ich habe seit so vielen Jahren an [379] diese Anstalt viel Zeit und Aufmerksamkeit und viele, wenigstens nicht im Augenblick gedankte, Mühe verwendet. Wie viel muß es mir daher werth seyn, daß wir an einem dritten und so bedeutenden Orte anerkannt und gebilligt werden. Was mich in Ihrem ersten sowohl als letzten Briefe besonders erfreut hat, war dieses Absondern des Guten vom Besser, das höhere Behagen am Vorzüglichen und das Dulden des Erträglichen. Die große Masse, weiß ich wohl, wird durch Vorurtheile regiert. Leider gehören aber gar zu viele zur großen Masse, und ein motivirtes Urtheil, das den Künstler vom Künstler, ja in verschiedenen Augenblicken von sich selbst unterscheidet, ist sehr selten.

Doch muß man gegen die Menge billig seyn. Sie bildet sich doch auch nach und nach und wird für manches empfänglich, was sonst gar weit von ihr abstand.

Daß meine eigenen Sachen gut gegeben worden und eine freundliche Aufnahme gefunden, ist mir sehr angenehm. Die lange Zeit, die ich mich gedulden mußte, bis sie zu einer solchen Erscheinung gelangen konnten, hat mich nicht unempfindlicher gegen den Beyfall gemacht, und ich kann wohl sagen, daß die Mitschuldigen, die ich vor beynahe 40 Jahren in Leipzig schrieb, und die neueren Sachen, in die ich die Resultate meines Lebens zusammengedrängt habe, in sinnlicher Gegenwart auf ein größeres Publicum wirksam gewesen.

[380] Haben Sie die Güte, unsere Gesellschaft auch bey der Rückkehr freundlich zu empfangen und zu fördern, und mir am Schlusse der sämmmtlichen Vorstellung noch ein Wort zu sagen, das mich aufrege, nächsten Winter aufs neue für diese Anstalt thätig zu werden.

Fahren Sie fort, meiner mit Neigung zu gedenken, und grüßen die Wohlwollenden.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Johann Friedrich Rochlitz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6C2D-5