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An Philipp Seidel

Rom d. 18. Aug.

Deinen guten, treuen, verständigen Brief habe ich lange zu beantworten unterlaßen, auch habe ich zwey aufgenommne Posten Geld, dir nicht angezeigt, es wird aber doch alles in Richtigkeit seyn.

Die Verhältniße die du mir gleichsam in einem Spiegel hinstellst, wollen wir der Zeit zu entwickeln überlassen. So viel kann ich dir sagen, daß deine Gedancken sehr mit den Meinigen zusammentreffen, ja bis auf geringe Modifikationen dieselbigen sind.

Vor jetzo ist mein Aufenthalt in Italien biß auf[252] Ostern verlängert. Sieh was etwa in meinem Hauswesen sich rucken und legen läßt, ich überlasse alles deinem Gutdüncken. Dann schreib mir: wenn meine Hausmiethe um ist, ich erinnere michs nicht genau.

Sage mir sonst über eins und das andere deine Meynung, und bediene dich indeß meines Hauses und des Meinigen zu deiner Nothdurft und zu deinem Vergnügen.

Mache dir einmal wieder ein Geschäft mir einen langen Brief zu schreiben und mir mit deiner gewöhnlichen Freymüthigkeit über die gegenwärtige Lage unsres kleinen Staats, insofern du sie übersiehst, und was das Publikum denckt und sagt, über das neue Cammersystem pp deine Gedancken zu eröffnen. Füge sonst, was einzelne Personen betrifft und einige Neuigkeiten hinzu. Ich wünsche, daß unsere gegenwärtige Correspondenz alles wegheben möge, was zwischen einem unbedingten wechselseitigen Vertrauen stehen könnte, denn ich hoffe du sollst mir bey meiner Zurückkunft und in der Folge mehr werden als du mir jemals warst.

Schreibe mir auch einmal einen kurzen Auszug meiner sämmtlichen Ausgaben und Einnahmen, seit meiner Abwesenheit, damit ich weiß, wie ich im Ganzen stehe, und was meine Haushaltung kostet.

Ich habe Anfangs Juni von Meurikoffre in Neapel 204 Neapolitanische Dukati und 83 Gran erhalten, deßwegen auch direckt an Paulsen geschrieben. Bald darauf [253] von Belloni 2000 Livres welche du mir anweisen ließest. Laß jetzt wieder 2000 Livres An Hrn. Hofrath Reifenstein in Rom, für Rechnung des Geh. Rath v. Goethe zahlen.

Ich thue dieß, weil ich nicht weiß wie lang ich noch hier bleibe, und weil ich im Herbste auf dem Lande herumziehen will.

Der Sommer war sehr und ungewöhnlich heiß, daß ich also einmal sagen kann: ich habe einen Sommer gelebt. Der Herbst wird unvergleichlich werden.

Ich bin sehr fleißig. Egmont ist fertig! was noch in den 5. Band kommt, wird auch zugerichtet. Übrigens werden alle Künste mit großem Eifer getrieben. Die Masse dessen was man hier kennen lernt, ist so groß, daß ich mit aller Vorbereitung, dieses ganze Jahr nur in Vorbereitung zugebracht habe, nun scheint es aber sich aufrichten zu wollen. Ich habe denn doch in Kenntniß und Übung zugenommen, so wenig es auch ist, wenn man aufs ächte sieht, und sich nicht vom Scheine blenden läßt.

Briefe kommen wohl gar nicht mehr an mich. Empfiehl mich den Hrn. Geheimderäthen, mit dem Vermelden daß ich ehstens schreiben würde. Versäume nicht bald und ausführlich zu schreiben, es macht mir viel Vergnügen, aus der Ferne näher gerückt zu werden, besonders, da ich schon beynah als ein Fremder nach dem Ettersberg hinsehe. Leb wohl, liebe mich und grüße die liebenden.

G. [254]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Philipp Seidel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6C3C-3