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An Marianne von Willemer

Dießmal, allerliebste Marianne, hat sich die moralische Weltordnung, ihrer göttlichen Natur gemäß, zugleich höchst gerecht und anmuthig erwiesen; Sie sollten erfahren, wie das kunstreiche Mädchen hieße, welche Turban, Schawl und Zubehör so niedlich zu-und ausgeschnitten; Ihnen selbst sollte der Fingerzeig werden, der Geburstag falle auf den 12. Juni, ob Sie vielleicht nicht, bey dessen glücklicher Wiederkehr, an demselben gleichfalls überraschend freundlich Theil nehmen wollten? Und so ist denn alles, durch Kreuz- und Quergang, am schönsten Ziele; [7] des Einpackenden Irrthum offenbar durch höheren Einfluß veranlaßt.

Damit Sie denn ferner diesem guten Kinde noch mehr geneigt werden, sende eine andere kleine Arbeit und muntere Sie zugleich auf, wenn Olfried und Lisena auf der Mühle noch nicht gekannt wären, das anmuthige Paar dorthin einzuladen, zur Unterhaltung an manchen, nächst zu hoffenden trockenen und heiteren Sommerabenden.

Ihre Frömmigkeit in Bezug auf Musik weiß ich nicht zu ehren und gebe gerne zu, daß die Compositionen von Liedern und sonst, genau besehen, oft nur ein qui pro quo geben; selten ist der Dichter durchdrungen und man lernt dabey nur etwa den Kunstcharakter und die Stimmung des Componisten kennen. Doch hab ich auch da manches Schätzenswerthe gefunden, in dem man sich vielmal abgespiegelt sieht, zusammengezogen, erweitert, selten ganz rein. Beethoven hat darin Wunder gethan, und es war ein glücklicher Einfall, die Musik zu Egmont durch kurze Zwischenreden dergestalt zu exponieren, daß sie als Oratorium aufgeführt werden kann, wie Sie solche wahrscheinlich gehört haben.

Indem ich schreibe statt zu kommen, nach Böhmen gehe statt an den Mayn, ist mir wunderlich zu Mute und ich darf eine mittempfindende Freundin hoffen.

herzlichst

Weimar den 12. Juli 1821.

G. [8]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Marianne von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6C4D-E