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An Carl Dietrich von Münchow

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeb.

gefällige Erkundigung wie weit es uns gelungen, jene neuerlich methodischer als sonst beachtete Lufterscheinungen bildlich darzustellen, hat mich aufgeregt, diese jetzt ruhenden Betrachtungen wieder aufzunehmen, und ich will suchen mit Hilfe unsrer jungen, nach allen Seiten hin beschäftigten Künstler, endlich auch jene Vorsätze zu vollbringen. Bey näherer Untersuchung glaube gefunden zu haben, daß die Gestalten der [320] Wolken-Phänomene vom Barometer-Stande und folglich auch von Barometer-Höhe abhängen.

Nimbus bezieht sich zunächst auf die Erde und wird in Form eines Streifregens von ihr angezogen.

Stratus entschwebt der Erde; von der ersten Entstehung an bis er zu höhern Regionen gelangt.

Cumulus bildet sich immer in höhern Regionen und alsdann ganz rein. Massenhaft einzeln oder sich weit erstreckend.

Wenn wir einen Cumulo-stratus sehen, so steht der letzte nicht, wie es manchmal scheinen möchte, in gleicher Höhe mit jenem, sondern viel tiefer, jedoch unserm Auge scheinbar vor ihm.

Cirrus gehört der höchsten Region an.

Cirro-cumulus entsteht, wenn bey hohem Barometer-Stande dieser in jenen aufgelöst wird. Ich habe davon in meiner Reise durch Tyrol einige Beyspiele gegeben.

Cirro-stratus kommt vor bey hohem Barometerstande, wenn die über den Bergen zusammen gezogene Wolkenstreifen sich in die höhere Region erheben, wo sie denn manchmal an ihren obern Säumen, manchmal aber auch wenn die Erhebung geschwinder geschieht in ganzen Massen gelockt und gekämmt werden.

Die Erscheinung welche Ew. Hochwohlgeb. an einem bedeckten aber doch wellenhaft bezeichneten Himmel beobachtet, wie eine andere mir bekannt gewordene, [321] wo man den Himmel gegittert nennen könnte, wollt ich unter den Cirrus rechnen. Beide mögen wohl nur bey höherm Barometer-Stande und auch in der höhern Region vorkommen.

Von Humboldt hat hoch über dem Chimborasso eine Wolkenlinie gesehen, die man wohl auch dem Cirrus unterordnen kann.

Einen solchen ungeheuren Bogen von reinen Cirrus-Flocken, der den ganzen Zenith einnahm, sah ich in Girgent; der eine Fuß stand auf Sicilien auf, der an dere, wie mir die Einwohner versicherten, deutete auf den Punct wo Malta liegt.

Ich hoffe bald im Stande zu seyn zur Fortsetzung Ihrer Beobachtungen, die auch mir vom größten Interesse seyn müssen, das Meinige, durch bildliche Darstellungen, beytragen zu können.

Weimar den 20. Januar 1817.

Noch kann ich nicht unbemerkt lassen, daß ich am 9. December 1815 bey einem sehr lebhaften Nordwinde und sonst nicht klaren Himmel als ich an das Umpferstädter Chausseehaus kam über den Jenaischen Bergen die sämmtlichen obengenannten Erscheinungen, nur den Cirro-stratus nicht, über einander aufgethürmt und bewegt gesehen habe. Eine Skizze auf der Stelle entworfen hoffe ich aus meinen Papieren, wo sie sich versteckt hat, wieder herauszufinden.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Carl Dietrich von Münchow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6C7D-F