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An Carl Ludwig von Knebel

Auf deinen letzten vertraulichen Brief habe ich bisher geschwiegen, weil ich hoffen durfte, daß ich bey Rückkehr meiner Frau vernehmen würde, du seyst über deine häuslichen Angelegenheiten beruhigt; da denn dieses also auch erfolgt, so hat es mir besondere Freude gemacht. Freylich ist die Einwirkung jener großen politischen Atmosphären-Veränderung an jedem, selbst dem stillsten häuslichsten Barometer zu spüren, und eine völlig veränderte Weltansicht waltet in jedem Gemüthe. Man weiß wahrlich nicht, woran man besser thut, ob sich über die Zustände aufzuklären, oder sich darüber zu verdüstern. Ja, beydes will nicht gelingen: wer könnte jetzt im Dunkeln und Trüben verweilen, da jeder Tag die Wolken, die er bringt, wieder auseinander reißt? Epimenides selbst würde dießmal nicht in einem heilsamen Schlummer verharren können.

Und so folgt denn hier das Werklein, das vor kurzem als ich dir's vorlas, noch ein besseres Ansehn hatte; es mag denn als ein seltsames Document einer so merkwürdigen Epoche in der Geschichte der deutschen Poesie seinen Platz einnehmen.

[278] Mehr sage ich für dießmal nicht, als daß es mir sehr weh thut, mich einem Jenaischen Aufenthalte dieses Frühjahr nicht hingeben zu können. Mein vierwöchentlicher Katarrh hat mich in allen Dingen sehr retardirt, so daß ich jetzt kaum weiß, wo und wie ich alles angreifen soll, was mir obliegt. An eine Badereise muß ich such denken, obgleich niemand voraussehen kann, wozu und wohin man gelangen wird.

Leb recht wohl und erhalte mir deine freundschaftliche Theilnahme.

Der Deinige

Weimar d. 22. April 1815.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CB0-A