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An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

erhalten hierbey den verlangten Reuß, um dessen baldige Rücksendung ich bitte.

Herr von Müller, dessen Brief beyliegt, bitte vielmals von mir zu grüßen. Seine Lage in Berlin hätte nie wieder erfreulich werden können. Ein so zerstückter Körper genes't nicht leicht wieder. In Süden sind doch wenigstens große aus heterogenen Theilen zwar erst zusammengetretene und im ganzen noch ziemlich rohe Massen; doch ist es etwas Neues und Frisches. Mit Klugheit wird er viel Gutes wirken können und was Resignation betrifft, wer muß sich nicht resig-[442] niren? und muß man es nicht? Was das organische Kindheit betrifft, so wollen wir erst seine Geburt abwarten und uns dann nach einem freundlichen Gevatter umsehen.

Zu einer Recension der Jacobischen Rede möchte ich mich nicht gern engagiren; doch will ich sie in diesen Tagen nochmals durchlesen, und meine nähere Entschließung melden. Meine Überzeugung trifft nicht so völlig mit ihr als mir der Schellingschen zusammen.

Herrn Professor Oken empfehlen Sie mich vielmals und entschuldigen Sie mich, wenn ich nicht antworte. Wenn er nach Weimar kommt, so soll es mir angenehm seyn, ihn bey Tische zu sehen. Wollen Sie ersuchen, nur Vormittags bey mir anzusprechen. Könnten Sie ihn begleiten, so wünsche mir angenehm seyn, mich auch wieder einmal mit Ihnen vertraulich zu unterhalten.

Weimar den 31. October 1807.

Goethe.


Ersuchen Sie doch von Müller, mir nur mit ein paar Worten anzuzeigen, in welche Zeit er die Nibelungen setzt, wie wir sie jetzt haben. So viel ich, ohne sonderliches Studium dieses merkwürdigen Gedichtes, einzusehen glaube, ist, daß die Fabel in ihren großen Hauptmotiven ganz nordisch und völlig heidnisch, die Behandlung aber nordisch sey, wie denn auch das Costum schon christlich ist. Herrn von Hagens Arbeiten, welche unser Müller begünstigt, werden uns [443] genugsam darüber aufklären, doch wünschte ich zum voraus von dem Meister einige Winke.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Heinrich Carl Abraham Eichstädt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CE3-9